von süss bis ungeniessbar

Offen – ehrlich – hilfsbereit

Es gibt Menschen, deren Leben verläuft gefühlt einfach immer schön geradeaus und ohne grosse Achterbahnfahrten. Denkt man. Vermutlich ist aber so, dass es diese Wundermenschen gar nicht gibt. Es ist einfach in unserer Schweizer DNA, über unschöne Dinge zu schweigen. Ganz oben sind dabei Krankheiten oder der Tod. Bloss nicht ansprechen – könnte traurig und tränenreich sein.

Ich sage: Totaler Blödsinn. Es gibt nichts schlimmeres als das grosse Schweigen. Es lässt verzweifelte Menschen noch verzweifelter werden. Sie fühlen sich alleine und unverstanden, weil sie immer glauben, mit ihrem Schicksal alleine zu sein. Dabei wäre es so einfach. Aber offene und ehrliche Kommunikation scheint nach wie vor etwas zu sein, womit sich der Mensch, insbesondere der Schweizer, schwer tut. Verletzlichkeit wird versteckt – nach aussen wird ein Bild verkauft, dass oft nicht einmal ansatzweise der Wahrheit entspricht. Das ist mehr als schade.

Immer wieder habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mit meiner offenen und ehrlichen Kommunikation einen Nerv treffe, der zwar schockieren kann, letztlich aber auch für viele eine grosse Hilfe ist. Sätze wie:

„Was, Du auch?“
„Ehrlich, das hätte ich nicht gedacht?“
„Oh, dann habe also nicht nur ich diese Gefühle?“
„Jetzt fühl ich mich nicht mehr so schlecht.“

zeigen mir immer wieder, dass die nackte Wahrheit das ist, was Menschen weiterhilft. Einer der Gründe, warum ich mich neu als Peer bei der Krebsliga ehrenamtlich engagiere. Dort helfen Betroffene anderen Betroffenen. Das können Angehörige von Krebspatienten sein, oder aber selber Krebspatienten, die ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit anderen Teilen und über Dinge sprechen, die man sonst möglicherweise mit keinem besprechen kann, weil man die Leute damit überfordert.

Diese Plattform ist eine wunderbare Sache und ich hätte mir vor 8 Jahren gewünscht, dass es sie damals schon gegeben hätte. Ich fühlte mich nämlich damals mit dem Chaos in meinem Kopf und unserem Leben auch ziemlich überfordert. Immer wieder wurden meine Göttergatte und ich von Dingen überrollt, die wir schlicht nicht haben kommen sehen. Man kann nämlich das Leben auf dem Onkoplaneten nicht zuerst üben. Es kommt am Tag X, ungefragt und mit voller Wucht. Und es teilt das Leben in zwei Dekaden: Jene VOR der Diagnose und jene DANACH. Und auch wenn ich ganz fest hoffe, dass mein Göttergatte und ich noch viele gemeinsame Tage haben werden, so wäre es gelogen, wenn ich behaupten würde, dass dieser gemeinsame Kampf nichts mit mir und uns gemacht hat. Dieses Wissen und die unschönen Dinge, die man erlebt, gilt es mit anderen zu teilen. Damit sich da draussen keiner allein fühlt, wenn es mal so richtig bescheiden läuft.

Wer sich auch gerne als Peer engagieren möchte oder einen Peer braucht, der ihn mal für eine kurze Zeit stützt, hier gehts zur Plattform:

https://peerplattform.krebsliga.ch

Ein Jahr Long Covid Patient

Ein lieber Bekannter, dessen Stimme die halbe Schweiz aus dem Radio kennt, feiert heute sein Einjähriges – oder nein, er feiert es eben nicht, weil ihm die Kraft zum Feiern auch nach einem Jahr noch fehlt.

Ein Jahr ist es her, seit er die Diagnose Long Covid bekam. Und man müsste meinen, dass es doch in dieser Zeit möglich sein sollte, sich wieder zu erholen. Nun ja, es gibt bestimmt welche, bei denen das möglich ist. Bei ihm leider nicht. Und er gehört weder zum alten Eisen, noch zur vulnerablen Gruppe, noch ist er ein Impfgegner. Ihn hat es erwischt, als die Impfung schlicht noch kein Thema war. Und als er dachte, es sei überstanden – da ging die Odyssee erst richtig los.

Covid überstanden, frischt geputzt und bereit für den Alltag – dachte er. Da hat aus dem Hinterhalt nämlich der Long Covid Hammer zugeschlagen. Und auf einmal war nichts mehr, wie es einmal war.

Mit Erschöpfung, Konzentrations- und Atemproblemen kam der totale Breakdown vor einem Jahr. Nichts ging mehr. Der Job, die Freizeitaktivitäten, die Freunde, die Familie – alles Fehlanzeige. Da war nur noch Müdigkeit, Kraftlosigkeit und eine unfassbare Leere.

Damals bestand noch die Hoffnung, dass es zeitnah besser werden würde. Da war mal die Rede von ein paar Monaten. Nun ja, ein Jahr sind auch ein paar Monate – ziemlich genau zwölf an der Zahl. Und in diesen zwölf Monaten waren sogar einige dabei, die er in einer Kur verbrachte. Dort wurde seiner Krankheit speziell Rechnung getragen und er wurde umsorgt, um wieder ins Leben starten zu können.

Und heute? Heute hat er auf Facebook folgenden Post gemacht:

„Ihr Lieben. Ich begehe heute den ersten Jahrestag meiner Long Covid Erkrankung. Feiern kann ich ihn ja nicht. Ich wünsche mir, dass ich wieder Treppen steigen kann, ohne nach 5 Stufen ausruhen zu müssen. Ich wünsche mir Tage, an denen ich nicht überlegen muss, ob die Kraft nach dem Einkauf noch reicht, meinen besten Freund Mario zu besuchen. Ich wünsche mir Tage, an denen mein geliebter Job als Moderator nach der dritten Sendestunde nicht zur Strapaze wird, weil ich mich kaum noch konzentrieren kann. Ich wünsche mir Energie zurück.
Energie, die Leben heisst.
Long Covid ist, wie es der Name sagt, eine lange Krankheit. Und die wünsche ich mir nicht. Die wünsche ich keinem.“

Lieber Christian – all das wünsche ich Dir auch – von ganzem Herzen! Und weil ich weiss, wie sehr Du an Deinem Leben, Deinem Job und allem, was dazu gehört hängst, hast Du es sowas von verdient, Deine alte Form zurückzubekommen. Du hast recht – man wünscht diese Krankheit niemandem. Wenn ich aber den Impfgegnern bei Ihren Demonstrationen zusehe und den Superschlauen bei ihren Rundumschlägen gegen die Medizin- und Pharmagiganten zuhöre, dann muss ich unweigerlich jedesmal an Dich denken. Es kann jeden treffen – egal wie alt, wie fit, wie hübsch, wie schlau, wie interessiert oder gebildet.

Danke Christian, dass Du aus Deiner Erkrankung nie ein Geheimnis gemacht hast – wer weiss, vielleicht konntest und kannst Du damit doch noch den einen oder anderen dazu bewegen, sich impfen zu lassen.

Ich schicke Dir eine Wagenladung Energie – für jeden Tag ein bisschen mehr! 🙂

Lachen erlaubt

Krebs ist ein Arschloch! Da sind wir uns wohl alle einig. Jeder, der in irgendeiner Form von Krebs betroffen ist weiss, was ich meine. Egal, ob selber Patient oder ob Begleitperson – das Krabbentier ist hinterlistig, unberechenbar und fies. Und bei einer Diagnose mit dem Begriff „unheilbar“ vergeht einem erst mal das Lachen.

Im Verlauf der Krankheit muss man irgendwie lernen, hin und wieder trotzdem mal zu lachen. Lachen entspannt, ist gesund und gibt dem Gehirn den Impuls, Endorphine (Glückshormone) auszuschütten. Ohne diese ist das Leben zwar zu bewältigen, macht aber nicht wirklich viel Sinn. Wir kämpfen nun seit über zwei Jahren gegen das Krabbentier, welches bei meinem Göttergatten diverse Zimmer bezogen hat. Und wir versuchen (mal mit mehr oder weniger Erfolg), das Leben trotzdem nicht immer ganz so ernst zu nehmen. Und da gehört auch mal eine gehörige Portion Galgenhumor und Lachen dazu.

Wieder einmal ganz eindrücklich erlebt haben wir dies heute im Wartezimmer der Onkologie. Normalerweise sitzen die Menschen dort betrübt, still und mit starrem Blick ins Leere oder auf den Boden. Die Stimmung lädt nicht gerade zum Tanzen ein, was absolut verständlich ist. Es wird aber auch nicht einfacher die Krankheit zu ertragen, wenn man sich und der Umwelt das Lachen verbietet. Und so kommt es des Öfteren mal vor, dass ich mit jemandem im Wartezimmer ins Gespräch komme. Daraus entwickeln sich nicht selten ganz lustige Episoden, welche schlussendlich alle zum Lachen verleiten. Und schwupp, steigt die Stimmung von eisigen unter null Grad in eine erträgliche Höhe.

Ich sage nicht, dass Krebs lustig sei – absolut nicht. Im Gegenteil. Die Krankheit wirft eine Familie ganz schön aus der Bahn und verlangt allen viel ab. Allen voran dem Patienten – den Angehörigen aber oft nicht weniger. Und deshalb ist es wichtig, dass man auch mal lachen darf. Viele Menschen meinen, bei Krebspatienten einfach nicht mehr lachen zu dürfen, weil es pietätlos sei. Das ist totaler Quatsch! Es hilft einem Patienten nicht, wenn er schon krank ist und ihm alle nur noch mit Mitleidsgesicht oder Trauermiene begegnen.

Die Krankheit ist allgegenwärtig – 24 Stunden am Tag. Das bedeutet aber nicht, dass man 7 Tage die Woche nur noch trauern muss. Man darf auch mal unbeschwert lachen – dem Krebs ist das nämlich ohnehin egal. Oder nein: Der freut sich, wenn man sich nicht mehr zu lachen traut. Er ist nämlich ein Arschloch. Je mehr man die Kraft hat, sich trotz erschwerter Lebensumstände zu freuen und zu lachen, umso schlechter fühlt sich das Krabbentier in seiner Wohnung. Und was ist genialer, als dem hinterlistigen und ungebetenen Untermieter das Leben so unangenehm wie möglich zu machen?

Go for it – Weinen erlaubt und gehört dazu … Lachen aber auch! 🙂

 

Krankenhausgeschichten

Wir kennen privat ein paar liebe Menschen, die im Krankenhaus arbeiten. Sei es als Arzt, oder als Pflegefachkraft. Und manchmal, wenn wir in gemütlicher Runde beieiander sitzen, dann werden Müsterchen aus dem Spitalalltag hervorgeholt, die uns die Lachtränen in die Augen treiben. Da gibt es Dinge, die gibts gar nicht …

Insbesondere auf der Notfallstation scheint man so einiges anhören müssen. Und dabei dann immer ernst zu bleiben, wäre für mich undenkbar. Da sind die Dinge wie Rückenbeschwerden, Brustschmerzen oder gebrochener Arm noch die kleinsten Aufgaben.

Stell sich mal einer vor, da kommt ein Mann breitbeinig durch die Notaufnahme gehampelt und will sofort einen Arzt sehen. Bei der Aufnahme will man natürlich zuerst wissen, was denn sein Problem sei. Schmerzen am After. Okay … er kommt in ein Behandlungszimmer und wartet auf den Arzt – hinsetzen will er sich aber nicht.

Arzt: „Guten Tag, was führt Sie zu uns?“
Patient: „Ich hab Schmerzen am After!“
Arzt: „Sind diese plötzlich aufgetaucht?“
Patient: „Ziemlich plötzlich, ja!“
Arzt: „Wie ist ihr Stuhl?“
Patient: „Normal.“
Arzt: „Was ist für Sie normal? Hart oder weich?“
Patient: „Nun ja, ein normaler Bürostuhl halt. Aber was hat das mit meinem After zu tun?“

Okay, Leute … und wenn ihr denkt, dass das schon der Lachkrampf gewesen sein muss, dann habt ihr euch geirrt. Es hat sich nämlich bei der Untersuchung herausgestellt, dass der Gute eine TV-Fernbedienung im Allerwertesten hatte. Ja, ihr lest absolut richtig. Die Erklärung, wie selbige da reingeraten sein soll, ist aber nun der absolute Brüller:

„Ich hab mich nackt aufs Sofa gesetzt und die lag da – war ein Versehen.“

Ja, logisch. TV-Fernbedienungen liegen in aller Regel genau so auf dem Sofa, dass sie komplett im Po verschwinden, wenn man sich versehentlich draufsetzt. Macht Sinn! Vielleicht wollte der Gute ja freihändig umschalten und hat sich gedacht, dass es da am einfachsten wäre, dies mit dem Rektum zu tun. Wäre ich Arzt, ich hätte mich derart schlapp gelacht, dass man anschliessend mich hätte behandeln müssen.

Es gibt Dinge, die gibt’s gar nicht! 🙂

Regenwurm und Goldfisch

Wie versüsst man einem Patienten den Krankenhausaufenthalt? Also: Man massiert ihm täglich die Füsschen mit Fussbalsam – man lenkt seine Gedanken mit doofen Ratespielen in andere Galaxien – man geht mit ihm Kaffee trinken und … man spielt UNO!!! Ja, der Göttergatte und ich spielen zusammen UNO und zwar mit unterschiedlichen Regeln, was zu ziemlich komischen Spielabläufen führt.

Der Zufall will es, dass das Tochterkind sich während einer solchen UNO-Episode ins Krankenbett des Papas legt und uns beim Spielen zuschaut. Und weil wir uns ständig „verspielen“ (vor allem ich!) und ich die Regeln einfach immer aufs Neue erfragen muss (Spatzenhirn), meint das Tochterkind zuerst: „Also, UNO ist in etwa das einzige Spiel, welches man sogar mit Neugeborenen spielen kann, weil es so simpel ist. Aber ihr schafft es, selbst das nicht auf die Reihe zu bekommen.“

Jaja, ich gebe ja zu, dass ich spieltechnisch in etwa die grösste Niete dieses Planeten bin. Ich bin nur gut im Flunkern … aber dafür müsste man erst die vielen unterschiedlichen Regeln kapieren und speichern. Bei meinem Löchersieb im Kopf scheint das einfach unmöglich. Und so kichert das Tochterkind im Papa-Krankenbett vor sich hin und auf einmal meint sie: „Wenn ich euch so zuschaue, habe ich das Gefühl, ein Regenwurm spielt gegen einen Goldfisch“, was soviel heissen soll wie: Dumm spielt gegen dümmer!

Und dann legt das liebe Kind noch nach mit: „Darüber könntest Du doch mal eine Geschichte schreiben, hä!?“ Okay, meine Liebe – erledigt!

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