Ich bin gerade dabei, meine persönlichen Grenzen ohne den Göttergatten zu sprengen. Was für andere normal sein mag, braucht für mich ganz schön viel Mut. Beispielsweise ein Flug über Nacht. Das letzte mal habe ich das auf unserer Hochzeitsreise gemacht. Und ich fand es grauenhaft und habe mir geschworen, das nie mehr zu tun.
Und jetzt? Ja, mit meiner Reisebuddy Manu habe ich es getan. Wir sind über Nacht in die Emirate geflogen. Ich hatte im Vorfeld gefühlt 20 verschiedene Gründe, es nicht zu tun – von Migräne bis Magendarmgrippe eigentlich fast alles. Wie kann man bloss so kompliziert sein wie ich? Wer mit mir unterwegs ist, braucht echt Nerven wie Drahtseile. Schliesslich …
… könnte das Wetter schlecht sein,
… die Menschen könnten stinken,
… das Essen könnte verdorben sein,
… ich könnte krank werden,
… es könnte kein Arzt vor Ort sein,
… es könnten gruselige Bakterien an allen Türfallen lauern,
… und ich könnte noch 100 andere Ausreden finden, um mich meinen Ängsten nicht stellen zu müssen.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann diese unsäglichen Ängste angefangen haben. Aber ich meine, dass es mit der Krankheit meines Göttergatten so richtig eskaliert ist. Ich musste immer sicher sein, dass irgendwo ein Krankenhaus in der Nähe war. Ärzte habe ich im Vorfeld schon rausgesucht. Und die Flugverbindungen zurück in die Heimat (zur Not mit der Rega) habe ich auch immer im voraus schon gecheckt. Und ich war immer auf Alarm, wenn ich mit ihm in unvertrauten Gefilden war, weil ich nie wusste, ob etwas passieren könnte.
Ja, passieren kann auch zu Hause immer etwas – schon klar. Aber dort sind die Abläufe vertraut, alles geht schnell und man weiss sofort, was zu tun ist.
Also habe ich – die ohnehin eher auf er ängstlichen Seite steht – in diesen über acht Jahren auf dem Onkoplaneten diese Ur-Ängste noch gefüttert und muss sie nun mühsam wieder abtrainieren. Das heisst: Nein, eigentlich müsste ich das nicht. Aber wenn ich mit meinen 57 Jahren die Ketten nicht sprenge, dann halten die mich bis an mein Lebensende gefangen. Drum ist es an der Zeit, auch ohne meinen Göttergatten auf meinem Weg immer wieder Schritte zu machen, die Mut brauchen und mir zeigen, dass ich ganz viel schaffen kann!
Heute früh in Abu Dhabi hat mich ein Falke fasziniert, dessen Job es war, die mühsamen Spatzen vom Frühstück fernzuhalten. Ein anstrengende Arbeit, die er da zu verrichten hatte. Immer wieder Anlauf holen zum Start – Runden drehen und zurück zum Falkner, um sich für die nächste Runde vorzubereiten. In etwa so fühlt sich Trauerarbeit an. Runde für Runde! Ich habe hier also einen Verbündeten gefunden.