von süss bis ungeniessbar

„… und tschüss!“

Die Worte meines Göttergatten, wenn er sich von jemandem oder von etwas verabschiedet hat.

Und nun sind es meine Worte, mit denen ich mich von ihm am vergangenen Samstag, 18. Januar 2025 verabschieden musste. Er hat seine letzte Reise angetreten, wohin diese ihn auch immer führen mag.

Unsere Kinder und ich hatten das grosse Privileg, unseren Helden bis zum Schluss und noch darüber hinaus begleiten zu dürfen. Es tut unsagbar weh und was bleibt ist ein Herz voller Trauer, aber vor allem voller Liebe!

Fast 40 Jahre durfte ich an der Seite dieses Menschen verbringen.

Er war
. mein Skilehrer im Schulskilager
. meine erste wirklich echte grosse Liebe
. mein Fels in der Brandung
. mein Ehemann
. mein Freund
. der Vater unserer Kinder
. mein Schnarchbär
. mein Sturkopf
. der stolzeste Grosspapi
. mein Einkäufer
. mein Koch
. mein „Hinterherräumer“
. mein Onkokämpfer
. mein Vorzeigeoptimist
. mein Krankenhausrocker
. mein Statistikumkipper
. mein Held
. meine andere Hälfte.

Wir haben auf unserem langen gemeinsamen Weg alle Höhen und Tiefen erlebt, die eine gesunde Beziehung ausmachen. Und wir haben sie alle durchgestanden. Wir haben zusammen gelacht, geweint, gestritten und versöhnt.

Die fatale Krebsdiagnose vor über acht Jahren hat uns zuerst den Boden unter den Füssen weggezogen. Wir haben uns aber ganz schnell wieder aufgerappelt und beschlossen, dem Krabbenvieh den Kampf anzusagen. Unsere Familie hat sich zu einer Onkokampffront formiert und wir haben über etliche Operationen, Therapien, Bestrahlungen, Tiefschläge und falsche Prognosen Runde für Runde geschafft. Etliche Runden, welche die Medizin sich bis heute nicht erklären kann.

Dass sich der fiese Untermieter vor gut zwei Monaten nun doch massiv mehr breit gemacht hat, war leider nicht mehr wegzudenken. Die Schmerzen haben meinem Kämpfer täglich bewusster gemacht, dass dieses Vieh sich ungefragt an Orte geschlichen hatte, die kaum noch zu kontrollieren waren.

Zum Jahresende haben wir unsere letzte gemeinsame Reise in unser geliebtes Hamburg gemacht. Eine Reise für uns, auf unser Leben und mit ganz viel Liebe. Wir hatten Zeit, auf unser verrücktes, spannendes und erfülltes Leben zurückzublicken. Und wir konnten mit Stolz sagen, dass es – auch während der acht Jahre Erkrankung – nichts gab, was wir ausgelassen haben. Unsere Bucketlist hatte hinter jedem Punkt ein grünes Häkchen.

Auch sein letzter Wunsch, zu Hause sterben zu können, ohne monatelang an eine Spitaldecke starren zu müssen, konnte erfüllt werden, und sein Plan seines eigenen Weges ist bis zum Schluss aufgegangen.

Er lässt uns zwar zurück – aber wir sind alle unglaublich stolz auf unseren Helden. Auch wenn uns manchmal die Puste ausgegangen ist und ich dachte, mir würde die Energie für eine weitere Kampfrunde im Ring gegen das Vieh fehlen, so haben wir nie aufgegeben.

Und so lassen wir ihn ziehen. Mit viel Tränen, mit grossen schwarzen Löchern, mit Ratlosigkeit aber mit noch mehr Liebe und Stolz. Und was er uns zurücklässt sind unendlich viele Erinnerungen, die wir gemeinsam in all dieser Zeit schaffen konnten. Für ihn, für uns, für unsere Kinder, Enkelkinder und für alle, die ihn geliebt haben.

Gute Reise, Mick – sorry, dass ich Deine vorgekochte Bolognese-Sugo aus dem Tiefkühler bereits anbrennen liess … ich weiss, dass Du mich trotzdem liebst.

Achterbahn

Es gibt Zeiten in unserem irdischen Dasein, da schmeisst das Leben mit soviel Leben um sich, dass wir kaum mehr wissen, wie wir das bewerkstelligen sollen.

Ja, aktuell bin ich mit meinem Göttergatten in genau so einer Situation.

Man kann es schönreden – ändert nur nichts.
Man kann es ignorieren – macht es aber nicht weg.
Man kann dagegen wehren – macht einen noch müder.
Mann kann es akzeptieren – ich tue mich schwer damit und lerne.
Man kann Tag für Tag nehmen – für mich die einzige Strategie zum ÜberLEBEN.

Und dann gibt es den ultimativ gut gemeinten, aber von mir absolut gehassten Killersatz, den ich „öppe mou“ zu hören bekomme:

“Du musst einfach nur positiv denken, dann geht das schon.“

Leute, schon beim Schreiben dieses Satzes kocht mein Blut!!!!!

DU MUSST …. ich muss eigentlich gar nichts!
EINFACH NUR …. wie abwertend ist das denn bitte???
POSITIV DENKEN … im Dunkeln scheint die Sonne nicht!

Zum Veranschaulichen, warum ich diesen Satz so hasse:

Stellt euch vor, euch wird ein Plastiksack über den Kopf gestülpt und dazu kommt der Satz: „Du musst einfach nur weniger atmen, dann geht das schon.“

Ja, in etwa genauso fühlt sich dieser Ratschlag an.
Es gibt sie sicher, die Momente im Leben, in denen positives Denken ganz viel bewegt und bewirkt. Dann gibt es aber einfach auch jene Tatsachen im Leben, in denen das Leben Dir soviel Scheisse vor die Füsse wirft, dass auch mit positivem Denken aus der Scheisse kein Gold wird.

Ich bin so dankbar für alle, die uns tragen helfen. Aber der Killersatz, der muss echt nicht mehr sein.

Tschüss 2024 …

… Du warst eigentlich ein tolles Jahr. Wir haben soviel Schönes erleben können.

– Familienreisen
– Reisen mit Freunden
– Konzerte
– Partys
– Geburtstage
– Hochzeitstage
– Erlebnisse mit den Enkelkindern
– Wunscherfüllungen
– viele Häkchen auf der Bucketlist
– Realisieren von Projekten
– Herzensangelegenheiten.

Nun, dass Du uns Ende Jahr mal wieder auf den Prüfstand stellen musst, das nehmen wir nicht persönlich. Wir finden es zwar ziemlich bescheiden, wissen aber, dass wir nichts daran ändern können. Also versuchen wir mit aller Kraft, das Beste daraus zu machen und auch in der nächsten Zeit mitzunehmen, was immer geht!

Egal was passiert: Wir werden immer zurückschauen und sagen können „WIR HABEN ALLES GEMACHT, WAS GING UND UNS WICHTIG WAR“!!!

Und genauso werden wir auch ins 2025 starten. Unspektakulär aber immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Jeden Tag geniessen, als ob es der Letzte wäre.

In diesem Sinne: Bleibt gesund da draussen – und wenn ihr nicht gesund seid, dann kämpft weiter – für jeden guten Tag, für jede Erinnerung, für jeden Moment. Es lohnt sich!

Kleiner Mann ganz gross

Unser Minimann, der im Februar 4jährig wird, ist schon sehr selbständig. Anziehen, ausziehen, Kloprojekte, Hände waschen – das allermeiste funktioniert sehr gut. Er wollte schon immer alles SELBER mit dem Argument

„Ich chan das!“.

Er hat eine gesunde Portion Selbstvertrauen, was mich unglaublich freut.

Gestern, nach dem Kloprojekt, als er auf seinem Klapptritt stand um die Hände zu waschen, hat er laut getrötet:

„Maaaaami, mein Hosenflöckli guckt raus!!!“

Danke kleiner Mann, ich werde in Zukunft bei jeder Kleideretikette einen Lachanfall bekommen!

Neues von der Onkofront

Seit über 8 Jahren begleite ich meinen Göttergatten zu nahezu jedem Termin, der mit seiner Krebserkrankung zu tun hat. Nun ja: Vier Ohren hören mehr als zwei und vier Augen sehen mehr als zwei. Eine ziemlich einfach Rechnung.

Die Bestrahlungstermine, welche dem fiesen Vieh in seinem Körper das Leben ungemütlich machen sollen, die hat er nun alle selber absolviert. Deshalb kann ich auch nur von seinem Foto, welches er vom Bestrahlungsraum gemacht hat, berichten. Zugegeben, unser Wohnzimmer sieht gemütlicher aus, als der Bestrahlungraum mit der schmalen Britsche. Aber wir schiessen in unserem Wohnzimmer schliesslich auch nicht auf entartete Zellen. Bei uns wird maximal im Fernseher bei unseren abendlichen Krimiserien geschossen. Zum Glück!

Was mir heute – als wir gemeinsam in der Onkosprechstunde waren – wieder einmal aufgefallen ist? Die Tatsache, dass offensichtlich viele Menschen meinen, dass man im Wartezimmer der Onkologie gaaaaaaanz still sein muss und auch nicht lachen darf. Ich bin die Crasherin der absoluten Stille aller Wartezimmer. Das führt regelmässig dazu, dass sich die Menschen mir zuwenden und anfangen, mir ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Da wäre also der Beweis, dass Krebspatienten am Leben teilhaben wollen, solange das ihre Krankheit erlaubt. Gelebt wird nämlich an jedem Tag. Gestorben nur an einem!

Ich hatte immer meine Mühe mit der Tatsache, dass viele Menschen in den Mitleidsmodus fallen, wenn sie um die Krankheit meines Göttergatten wissen. Tatsache ist aber: Er ist seit Tag eins (Diagnose) als Palliativpatient eingestuft (unheilbar) und wir wissen, dass die Uhr tickt. Deswegen leben wir aber genauso jeden Tag, wie alle anderen – vermeintlich Gesunden – auch. Viele da draussen stellen sich unter der Onkologie (Wartezimmer auf dem Foto – mega chillig) etwas Grässliches vor. Ja, die Krankheit an sich ist grausam und man wünscht sie keinem. Tatsache ist aber, dass sie sich noch viel schlimmer anfühlt, wenn wir sie mit jedem Tag der Krankheit ein bisschen mehr dramatisieren. Wenn wir verstummen, nicht mehr lachen und auf den Tod warten, dann ist die Krankheit tatsächlich unerträglich. Wenn wir sie als ungebetenen Gast ansehen, dem wir das Leben so lange ungemütlich machen, wie es nur geht, ohne dabei den Humor ab Tag eins zu begraben, dann fühlt es sich nicht ganz so schwer an.

Keiner möchte an Krebs sterben. Also eigentlich möchte grundsätzlich irgendwie niemand sterben. Und doch werden wir es alle irgendwann tun. Bis dahin wäre es aber ratsam, zu leben und zu geniessen, was eben (noch) geht! Und ja: Auch unheilbar Kranke können verdammt gut aussehen. Ich höre nämlich immer mal wieder den Satz: „Ich kann mir das gar nicht vorstellen, dass Dein Mann so krank ist, der sieht ja noch gut aus.“ Solche und ähnliche Aussagen zeigen mir immer wieder, dass wir noch soviel Aufklärungsarbeit zu leisten haben. Ein Grund mehr, dass ich mich als Peer bei der Krebsliga engagiere!

All das klingt einfach? Ist es nicht – aber man kann daran arbeiten und sich immer wieder bewusst machen, wieviel Leben in jedem Tag steckt, wenn wir es nur sehen wollen!

In diesem Sinne: Bleibt gesund – oder seid einfach dankbar für jeden guten Tag im Leben.

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