von süss bis ungeniessbar

Modepralin’scher Trauer-Knigge

Wie oft habe ich in den letzten zwei Monaten beim Begegnen von Bekannten den Satz gehört:
„Sorry, aber ich wusste nicht, was ich sagen soll – drum habe ich mich nicht gemeldet.“

B U Z Z E R!!!

Liebe Mitleser-/innen

Falls ihr auch zu jenen gehört, denen die Worte fehlen oder die sich im Coop lieber hinter dem Regal verstecken, als mich womöglich fragen zu müssen, wie es mir geht: Trauer ist NICHT ansteckend. Dies schon mal vorneweg.

Und dann ist da noch so einiges anderes, was ich gerne loswerden möchte:

  • Die Tatsache, dass manchen die Worte fehlen hängt schlicht und einfach damit zusammen, dass Mann oder Frau sich nicht mit dem Thema Tod auseinandersetzt. Es wäre dringend an der Zeit, mit diesem Tabu zu brechen. Ich weiss nämlich von keinem, der lebend aus dem Leben gekommen ist. Der Schluss ist bei uns allen tödlich. Ohne Ausnahme!
  • Trauernde laufen nicht den ganzen Tag mit einem „Lätsch“ durchs Leben und sie brechen auch nicht zwingend immer in Tränen aus, wenn man sie fragt, wie es ihnen geht. Und selbst wenn – Tränen gehören zum Leben.
  • Wenn ihr mich fragt, wie es mir geht, dann müsst ihr damit rechnen, dass ich sage: „Gut, danke – und selber?“ Ja, Tatsache – einen geliebten Menschen zu verlieren bedeutet nicht zwingend, das eigene Leben nicht mehr zu lieben.
  • Ich habe mich darauf vorbereiten können, dass es Menschen geben wird, die mir ausweichen, um nicht kondolieren, das Beileid auszusprechen oder was auch immer zu müssen. Ihr Lieben, das müsst ihr nicht. Ich mag es nämlich gar nicht, wenn ich plötzlich nur noch darauf reduziert werde, nun alleinstehend zu sein. Themen wie das Weltgeschehen, das liebe Wetter oder lästige Falten im Gesicht gehören nach wie vor zu meinem Kommunikationsfundus.
  • Ich bin alleine satte 100%. Es ist nicht so, dass ich auf einmal nur noch 50% bin. Mein Göttergatte und ich, wir waren beide je 100%. Mir fehlt weder ein Bein noch ein Arm – ein normaler Umgang mit mir ist also erwünscht!
  • Ich hatte schon als Kind ein sehr entspanntes Verhältnis zum Thema Sterben und Tod. Und ich habe schon damals alle Tabu’s gebrochen. Dass es aber heute immer noch diese alten Zöpfe der Trauer aufrecht zu halten gilt, erstaunt mich doch sehr.
  • Keine Bange, in der Regel nehme ich meinem Gegenüber die Scheu vor dem Thema, indem ich einfach gnadenlos raushaue, wo ich grad stehe.

Als Kommunikationsfrau weiss ich, dass alles, was unter dem Tisch totgeschwiegen wird, Angst macht. Holt man es nach oben ans Tageslicht und legt es zum Betrachten vor sich hin, verliert es den Schrecken. Genauso ist es mit dem Thema Sterben, Tod und Trauer. Ich werde nie verstehen, warum es okay ist, am Stammtisch über die sexuelle Zugehörigkeit der Dorfbewohner zu tratschen, nicht aber über das Ende des Lebens. Vielleicht, weil das eine als sexy gilt, das andere eben nicht?

Ich wurde in letzter Zeit oft von Menschen angeschrieben, die mich fragen, wie ich es schaffe, so offen mit dieser schwierigen Thematik umzugehen. Menschen, die Hilfe suchen, weil mit ihnen niemand über den Tod eines lieben Menschen sprechen möchte. Das führt nicht selten dazu, dass Trauernde sich zurückziehen, weil sie sich unverstanden fühlen. Der Supergau für die Seele!

Nun, es ist relativ einfach. Behandelt das Thema Lebensende als normales Thema, an welchem keiner von uns vorbeikommt. Schliesslich wird heute über Schönheitsoperationen, Polyamorie oder Geld diskutiert, ohne dabei rot anzulaufen. Also bitte: Was ist so anders am Thema Tod? Ja, es ist traurig. Ich kann euch aber garantieren, dass es nicht weniger traurig ist, wenn man es einfach ignoriert. Im Gegenteil!

Ich kann mit der Hilflosigkeit vieler Mitmenschen gut umgehen – die Lanze, die ich hier brechen will, ist für alle da draussen, die sehr darunter leiden, dass sie mit keinem offen über das letzte Kapitel im Leben sprechen können. Und wer gerne einmal einfach einen schriftlichen Austausch möchte:

modepraline@gmx.ch

Bei mir läuft niemand ins Leere.

Teile diesen Beitrag

10 Kommentare

  1. Rena

    Du bist die beste Lanzenbrecherin! Und ich feiere dich dafür. Wir sitzen im selben Boot – ich nur schon etwas länger.
    Unsere Männer hätten gewollt, dass wir aktiv sind und bleiben und das Leben weiterhin lieben und feiern

    • modepraline

      Ja liebe Rena, wir sitzen im selben Boot – Du fährst Deinen Kahn einfach schon etwas länger durch die Gewässer. Sonst ist es aber vermutlich dasselbe Spiel des Lebens, das wir zwei spielen!
      Ich breche gerne Lanzen – ich bin nämlich auch gerne laut und sichtbar. Alles Liebe zu Dir, liebe Rena 🙂

  2. Wenger von Burg Bernadette

    wunderbar geschrieben
    ich habe schon so viele Menschen in den Tod begleitet und es ist so eine Dankbarkeit bei den Menschen zu spüren das Sie darüber sprechen dürfen.
    Ich ecke aber auch viel an da ich offen und über jedes Detail sprechen möchte weil es so wichtig ist was jeder sich wünscht.
    Wir entscheiden zu Lebzeiten was wir nach unserem Ableben gerne hätten.
    Ein Thema das so interessant ist und so viele Möglichkeiten gibt.
    Geniesst Alle einen schönen Tag ♥️

    • modepraline

      Da bin ich ganz bei Dir, absolut 🙂

  3. Regula

    Super geschrieben! So ist es ,auch in meinem Job wo ich/Wir mit Langzeit psychisch erkrankten Menschen die Bleib bei mir Tiere im Auftrag für Pippilotta nähen ist dies ein Thema.Das grösste Geschenk ist wen mir Mitarbeiter/ innen sagen: Oh der Tod gehöhrt ja dazu und Mann darf darüber reden und Sogar bei Anekdoten lachen 🌈 es ist so schön solche Arbeiten zu machen.

    ja dann bin ich mir sicher das die Angst verfliegt ,oder der Weg dahin kürzer geworden ist und ich den besten und Ehrenvollsten Job für die lebenden habe ❤️
    ganz liebe Grüße Regula

    • modepraline

      Ein wunderbarer Job – ich durfte ihn auch schon erleben. Und ich habe mir so einiges abgeguckt bei euch. Aus den schönsten T-Shirts meines Göttergatten habe ich Kissen gemacht 🙂

  4. Tamburrino Susanne

    Genau so geht es mir auch heute noch.
    Seit dem Tod von meinem Mann haben sich viele Leute nicht mehr bei mir gemeldet, man könnte meinen der Tod sei ansteckbar.
    Hast das aber wieder ganz schön geschrieben
    Deine Worte stimmen ganz genau.

    • modepraline

      Das tut mir leid, liebe Susi. Eigentlich würde ich jetzt sagen, dass Du mit diesen Leuten nichts verloren hast – aber es ist tatsächlich totale Hilflosigkeit, die ich bei manchen Leuten erlebe. Dann ist es eben gut, wenn DU den ersten Schritt machst. Ich merke, wenn mir jemand ausweicht – dann konfrontiere ich sie bewusst mit mir! 🙂

  5. Bonsai

    Wie immer schöne Worte,diese hattest Du auch bei meinem Mami und hast Sie wieder aufgebaut als Du mit Deinem Göttergatten im Bürgi warst. Wenn ich mal treffen sollte werde ich Dich bestimmt fragen wie es Dir geht und nicht die Straßenseite wechseln oder mich hinter einem Regal verstecken …Liebe Grüsse Bonsai 🙏

    • modepraline

      Danke mein Lieber – ja, ich erinnere mich noch gut an unser Treffen im Notfall vom Bürgi 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2025

Theme von Anders NorénHoch ↑