von süss bis ungeniessbar

Ungesund

Fallpauschale – Spezialitätenliste – Zusatzversicherung – Upgrade – Hausarztmodell – etc.

All diese Begriffe gehören zu unserem Gesundheitssystem – ein System, dass kranker gar nicht sein könnte. Otto Normalverbraucher, der täglich arbeitet und seinem Verdienst nachgeht, kann sich in der Regel gerade mal noch eine Grundversicherung leisten. Mehr liegt nicht mehr drin. Und diese Grundversicherung müsste eigentlich ehrlicherweise eher Abgrund-Versicherung heissen. Sie deckt zwar ab, dass man in unserem Land nicht auf dem Gehsteig sterben muss … dann wird es – wenn man ehrlich ist – aber auch schon kritisch. Leider bin ich seit Monaten mehr bei Ärzten und in Krankenhäusern, als mir lieb ist. Und dadurch erlebe ich so einiges – nicht nur durch die eigene Erfahrung, sondern auch durch Beobachtungen, welche ich bei langen Wartezeiten machen kann.

Der Satz: „Wie sind Sie denn versichert?“ entscheidet nicht selten über die Tatsache, ob das Prozedere danach lange dauert, oder schnell und angenehm läuft. Schliesslich ist man im Krankenhaus heute kein Patient mehr, sondern ein Fall. Und da nach Fallpauschalen abgerechnet wird, müssen möglichst viele Fälle durchs System laufen, damit es sich rechnet. Es sei denn, man ist so gut versichert, dass man ein rentabler Patient ist … dann sieht es etwas anders aus.

Ich kann den Ärzten und Krankenhäusern nicht einmal einen Strick daraus drehen, denn sie haben den Druck der Kassen im Nacken. Und erschwerend müssen sie neuerdings mit all den verschiedenen Varianten pro Fall gefühlt 100 Formulare ausfüllen – selbstverständlich zu Lasten der Patienten. Aber auch eine äusserst gute Versicherung garantiert keinen reibungslosen Ablauf und kein gutes Gefühl. Jeder Patient sollte eine Kampfsau an der Seite haben, die für ihn hinsteht, sich wehrt, hinterfragt, nachhakt und kritisch hinschaut. Traurig, aber wahr. Mein Tochterkind und ich sind in den letzten Monaten zu meisterhaften Kampfschweinchen geworden … vor, neben und hinter dem Göttergatten. Jederzeit und überall! Nach all unseren bisher gemachten Erfahrungen möchte ich mir gar nicht ausmalen, was mit jenen ist, die niemanden haben, der sich für sie einsetzt. Da kann es schon passieren, dass man als Patient zum Spielball eines total kranken Gesundheitssystems wird … und vielleicht während des Spiels den Löffel abgibt, weil man vergessen gegangen ist. Das kann es doch wirklich nicht sein, oder? Wir schimpfen uns ein hochzivilisiertes, technologisiertes und wahnsinnig qualifiziertes Vorzeigeland. Manchmal frage ich mich einfach, wo genau wir das sind. Die Fassade mag vielleicht glänzen … dahinter sieht es aber ganz schön düster aus!

Ich wünsche jedem „Fall“ eine eigene Kampfsau … wenn schon der Mensch in den Hintergrund rückt, dann soll wenigstens ein kämpfendes Tier an die Front!

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14 Kommentare

  1. Sternscherbelhaufen

    Ein Wahnsinns Blog Eintrag . Erschreckend realistisch und unendlich traurig für alle die keine Kraft / keine“Kampfsau“ und Nerven für solche Bürokratie \Schikanen\Hürdenlauf im Krankenkassen Behörden Dschungel haben ! Schaff(t)e selbst im medizinischen Verwaltungs Bereich ( derzeit Elternzeit ) und es ist über die Jahre nur mehr und mehr Bürokratie geworden . Leider Leider Leider !!!
    Alles Liebe und viiiel Kraft für alle die den täglichen Kampf kämpfen müssen und glaubt : es ist nicht immer ein Spass für die Menschen die auf der anderen Seite des Tresens sitzen !

  2. Smamap

    ABSOLUT klasse beschrieben.
    Ich bin Betroffener, und kann das alles nur bestätigen. Sehr sehr häufig geht es nur noch um Paragraphen, die zitiert werden, und bestätigen, warum man etwas NICHT bekommt. Und relativ häufig geht es darum, solchen Aussagen auf den Zahn zu fühlen, um dann zu erkennen, dass die ursprüngliche Auskunft falsch war, und das genaue Gegenteil gilt.
    Und überall bist du eben ein „Fall“, den es gilt kostengünstigst abzuschließen

    • modepraline

      Traurig aber wahr – ich hoffe, Du hast eine Kampfsau dabei!

      • Smamap

        Mist, jetzt muss ich es nochmal schreiben, weil die Antwort eben flöten ging:
        Meine Erfahrung ist, dass es oft klüger ist, etwas einfach zur Kenntnis zu nehmen, und die Kameraden andersherum auszutricksen. Das ist viel effizienter und erfolgreicher als gegen Windmühlen zu kämpfen.

      • modepraline

        Wir waren bisher ganz erfolgreich als Kampfsäue 🙂

      • Smamap

        Ich mach das seit fast 10 Jahren, und hab dann meine Strategie irgendwann etwas geändert.

  3. alltagschrott.ch

    Ja, sehr traurig….

  4. FitohnePlan

    Sehr gut beschrieben. Ich möchte erstmal sagen, dass du natürlich total recht hast. Es ist schwierig geworden und es wird auch schwieriger. Aber ich möchte es auch sehr loben, dass du sagst du kannst den Ärzten nichteinmal einen Strick daraus drehen, viele Menschen, die selber nicht im Gesundheitswesen arbeiten schieben die Schuld auf die Ärze. Aber die sind davon ja genauso betroffen. Ein Krankenhaus ist leider mittlerweile ein reines Wirtschaftsunternehmen geworden. Selbst die Ärzte bekommen unmögliche sogenannte „Zielvereinbarungen“ vorgesetzt. so gibt es beispielsweise für Gynäkologen Zielvereinbarungen in welchen es heisst „Am Ende des Jahres X müssen in diesem Krankenhaus so und so viele Geburten stattgefunden haben“. Das muss man sich mal vorstellen. Was sollen die Gynäkologen denn machen? Auf die Straße gehen und die Frauen Schwängern wenn nicht von alleine genug Patientinnen kommen? Das ist ja völlig absurd. Aber so ist es leider. Wie überall geht es im Gesunheitssystem nur noch um Zahlen, Zahlen und noch mehr Zahlen. Traurig aber wahr.
    Ich arbeite auch bei einem Arzt und es kommen soooo unendlich viele Schreiben von Krankenkassen wo hier und da mal wieder was ausgefüllt werden muss. Und das verrückte daran, man füllt dann als Arzt etwas für einen Patienten aus, der eine gewisse Behandlung aus medizinischer Sicht bräuchte. Dann gibt es Menschen bei den Krankenkassen, oder beim medizinischen Dienst, die dann entscheiden ob der Patient diese Behandlung letztendlich bezahlt bekommt oder nicht. Ohen je auch nur ein Wort mit dem Pateinten selbst gesprochen zu haben, geschweige denn ihn gesehen zu haben. Sehr Qualifiziert :-/
    Ich finde Deinen Beitrag jedenfalls sehr wahr! Danke, liebe Grüße Alina

    • modepraline

      Danke liebe Alina – ja, was Du beschreibst ist leider GENAU SO … übel! 🙁

  5. Es Marinsche kocht

    Ist in Deutschland nicht anders 🙄 wer da nicht für sich selbst sorgen kann ist verloren.

    Und wenn ich halt keine Kampfsau da hatte habe ich halt selbst ( freundlich ) kundgetan was mir nicht gefällt bzw. womit die Pfleger / Ärzte es mir leichter machen können. Zugute kam mir dabei das ich ein entspanntes Verhältnis zu den Leuten habe durch das ich selbst als ehemalige Altenpflegerin die Ärzte auf Augenhöhe um mich hatte und ich mich zum Anwalt für meine Oldies gemacht habe.

    Und ich habe da sehr positive Erfahrungen gemacht! Ich selbst habe vermehrt gelernt meine Bedürfnisse kundzutun, wir hatten’s lustig und ich hatte in einer Sparte den, liebevoll gemeinten!, Beinamen „Dramaqueen“ 😊 …..aber ich war froh es mir dann doch noch so „komfortabel“ wie möglich zu gestalten auf dem Höllenritt, mit Hilfe aller Beteiligten….und letztendlich hatte ich aus allen! Fachrichtungen das Feedback das sie dankbar waren das ich es kundgetan habe, denn sie haben dadurch viel gelernt…..also: egal ob selber oder noch besser mit Mitstreitern….dranbleiben!

  6. silgil

    Wie recht du hast!
    Untersuchungen und Behandlungen werden unter einer best. Fall Nr. abgerechnet.
    …..und zuvor holt der Arzt noch Zusagen der KK ab oder auch nicht. …mit viel Bürokratie.

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