von süss bis ungeniessbar

Lieber Göttergatte …

… wo auch immer Du gerade bist, wir müssen reden!

Ja, ich weiss, Dein Vertrauen in mich war unendlich. Und Du hast mir immer gesagt, dass ich es locker alleine schaffen werde, weil es nichts gäbe, was ich nicht auch ohne Dich könne. Soweit so gut – aber falls Du mich gerade testen möchtest, dann wäre jetzt so langsam genug …

Zuerst hat sich bei meinem Auto der elektronische Schlüssel eingeschlossen. Hund und Handy und Schlüssel alles im Auto – Auto zu! Technisch nicht möglich, aber er hat es getan. Ich musste also die Garage anrufen und die mussten den Fehler beheben … der auch gemäss den Garagisten gar nicht möglich sein sollte.

Kurz darauf merke ich, dass es etwas kühl wird im Haus. Die Heizung zeigt mir eine Störung an. Wie gut, dass ich das Heizungszeug immer gemacht habe. Ich konnte das Teil also wieder in Betrieb nehmen.

Zwei Tage später hat unsere Wohnzimmerlampe mit der speziellen Birne den Geist aufgegeben. Ich wollte die Birne wechseln – allerdings habe ich beim Wechseln entdeckt, dass Du die Lampe offenbar schon mehrfach geleimt hattest und sie ist mir in den Fingern zerbrochen. Fazit: Ich musste eine neue Lampe kaufen.

Seit einer Woche schliesst nun die Abzugsklappe unseres Dampfabzugs in der neuen Küche nicht mehr. Es zieht also immer wunderbar kalte Winterluft in unser Haus. Auch nach mehrmaligem manuellem Öffnen konnte ich die Klappe nicht dazu bringen, sich wieder zu schliessen. Telefon zum Küchenbauer – HILFE!

Und heute, ja heute hat Dein sehnlichst gewünschter und selber montierter Wasserhahn im Gästeklo einen Sprung fabriziert und das Wasser tritt ungehindert an Orten aus, wo es kein Mensch haben möchte. Ich habe über diesen Wasserhahn schon den Kopf geschüttelt, als Du ihn montiert hast. So ein typisches Männerspielzeug, das keine Frau braucht. Nun muss ich mich tatsächlich auf die Suche nach einem neuen Wasserhahn machen – als ob ich auch nur den Hauch einer Ahnung von Sanitärarbeiten hätte.

So, liebster Göttergatte – ich lerne ja so langsam die Sache mit dem Kochen und so. Aber die ganzen technischen Aufgaben könntest Du jetzt kurz mal stoppen. Ich werde sie alle schon hinbekommen, aber bitte nicht alles auf einmal. Oder bist das gar nicht Du???

Wobei: Ich habe Dich stark im Verdacht. Du hast es schon immer geliebt, mich aufs Glatteis zu führen und dann zu schauen, wie ich mich schlage. Bei jeder weiteren Aufgabe gucke ich nach oben und sage: „Echt jetzt Mick, das auch noch?“

Dein Werkzeugkasten ist gerade mein bester Freund und Du dürftest mir kurz mal eine Pause gönnen. Schliesslich habe ich grad noch gefühlt zwei Millionen Viren im Körper und muss mir den Tee selber kochen. Also bitte – etwas Nachsicht wäre nett.

Ich weiss, dass Du jetzt grinst von einem Ohr bis zum anderen und Dir ins Fäustchen lachst … aber hey: Ich schlage mich tapfer.

Und: Ich liebe Dich trotzdem!

So viele gute Jahre

1985 Das Jahr, als ich Dich das erste mal traf.
1988 Das Jahr, als wir ein Paar wurden.
1988 Das Jahr, als wir unsere 1. gemeinsame Wohnung bezogen haben.
1991 Das Jahr, als wir geheiratet haben.
1992 Das Jahr, als Du Dein erstes Studium abgeschlossen hast.
1993 Das Jahr, als unser Sohn geboren wurde.
1995 Das Jahr, als unsere Tochter geboren wurde.
1997 Das Jahr, als wir unser Haus gebaut haben.
1998 Das Jahr, als Du Dein zweites Studium abgeschlossen hast.
2000 Das Jahr, als Du das erste mal für kurz Zeit Hausmann warst, um mich eine Ausbildung machen zu lassen.
2004 Das Jahr, als ich mein Studium abgeschlossen habe.
2006 Das Jahr, als ich meine Boutiquen gegründet habe – mit Dir als Stütze.
2015 Das Jahr, als Du den Pilotenschein in der Tasche hattest.
2016 Das Jahr, als ich meine Boutiquen geschlossen habe – mit Dir als Stütze.
2016 Das Jahr, als die fatale Krebsdiagnose kam, die alles verändert hat.
2019 Das Jahr, als wir das erste mal Grosseltern wurden.
2021 Das Jahr, als wir das zweite mal Grosseltern wurden.
2025 Das Jahr, in dem Du für immer gegangen bist.

Und alles, was dazwischen war, war gefüllt mit Leben!!!

Liebe – Familie – Arbeit – Streit – Freude – Lachen – Tränen – Reisen – Jobs – Freunde … 40 lange und prall gefüllte Jahre mit allem, was zum Leben gehört.

Keines dieser Jahre möchte ich missen. Jedes hat uns im Leben weitergebracht. Und jedes hat uns wieder aufs neue gezeigt, dass wir ein saugutes Team waren.

Ich mache weiter – nicht mehr mit Dir an meiner Seite, aber mit Dir im Herzen.

Danke für alles Mick!
Ich vermisse Dich.



D A N K E

Ihr lieben Menschen da draussen: Es ist unfassbar, was ich mit euch gerade erlebe!

Was ihr alles für mich tut:

  • backen
  • kochen
  • Besorgungen machen
  • mich einfach umarmen
  • mir zuhören
  • kleine Zeichen schicken
  • mit mir Kaffee trinken
  • mir eine Crèmeschnitte bringen
  • mit mir spazieren
  • einfach für mich da sein

Nun – mein wunderbares Netz fängt mich auf. Dazu gehören meine Kinder, meine Eltern, meine wunderbaren Freundinnen und Freunde und soviele Menschen, die täglich an mich denken.

Man hat mir im Vorfeld prophezeit, dass sich das Netz nach dem Tod des Göttergatten ganz schnell ausdünnen wird und man letztlich alleine da steht. Wie froh bin ich, dass jeder seine eigene Geschichte schreibt und diese Geschichte für mich nicht zutrifft. Im Gegenteil! Niemals habe ich mehr Hilfsbereitschaft und Unterstützung gespürt. Ihr seid so wunderbar.

Eine liebe Freundin hat mir gesagt: „Ich habe keinen Moment daran gezweifelt, dass Du alleine gelassen würdest. Man erntet, was man sät und seit ich Dich kenne hilfst Du an allen Fronten. Jetzt sind einmal die anderen dran!“ Wow – sprachlos.

Ja, sprachlos gibt es auch bei mir. Selten – aber es kommt vor. Ich habe von meiner wunderbaren Mutter täglich in der Erziehung gelernt, für andere da zu sein. Das ist in meiner DNA. Und das ist für mich selbstverständlich und gibt mir viel. Dass es einmal andersrum sein könnte, davon bin ich gar nie ausgegangen. Es war bislang auch nicht wirklich nötig.

In den letzten drei Wochen war ich aber unzählige male froh, dass ihr lieben Menschen mir einfach vor die Füsse fallt, mit euren Ideen, Taten und eurer Liebe.

Ich fühle mich getragen, von allen Seiten. Es ist ein Privileg, ein solch stabiles Netz zu haben. Und es ist ein Privileg, eine intakte Familie zu haben, die ungefragt einfach da ist. MEINE wunderbare Familie. Und es ist genauso ein Privileg, nicht nur Bekannte zu haben, sondern eben echte Freunde. Menschen, die nicht fragen, sondern einfach machen. Ohne Bedingung und ohne ein Haar in der Suppe (stattdessen mit Hühnerfleisch und Gemüse – danke Claudia!).

Seit einigen Tagen bin ich wieder zurück in meinen Tätigkeiten und helfe selber wieder jenen Menschen auf dem Onkoplaneten, die sich gerade sehr alleine und verloren fühlen mit ihren Fragen und Ängsten. Dass ich das kann, habe ich euch allen zu verdanken. Ihr tragt mich so fest, dass ich wieder weitergeben kann, was mir gerade widerfährt.

Leute, ihr seid klasse. Danke!

Du bist immer bei mir

Drei Tage vor Deinem Tod haben wir auf dem Spitalbett zusammen Fingerabdrücke gesammelt. Ich habe Dir gesagt, dass ich Dich nach Deinem Tod auf meiner Haut verewigen will. Du fandest den Gedanken lustig und hast mir eine Menge nicht brauchbarer Abdrücke geliefert, weil Du es so machen wolltest, wie sie es in den Krimis machen. Den Finger von links nach rechts drehen – und das gab eine ziemlich unbrauchbare Sauerei (sorry für die bekleckerte Spitalbettwäsche …).

Nun, nach einigem Üben hat es dann doch noch hingehauen.

„Welchen Fingerabdruck gibts Du mir?“
„Den rechten Mittelfinger!“
„Hö?“
„Den hab ich jetzt dem Krebs über acht Jahre lang gezeigt, den Stinkfinger, jetzt darfst Du ihn für ein Tattoo haben!“

Klingt nach Dir? Jup, klingt definitiv nach Dir!!!!

Und heute habe ich es bereits getan: Ich habe Dich von Laura auf meinem Handgelenk (Puls) verewigen lassen. In einem Puzzleteil hat sie Deinen Fingerabdruck eingezeichnet. Dass es ein Puzzleteil sein würde, lag für mich auf der Hand. Es fehlt ein grosses Teil in unserem Familienpuzzle, seit Du nicht mehr da bist. Und Du hast gerne gepuzzelt – ich gar nicht. Und das Puzzlestück zeigt drei Ausbuchtungen (unsere Kinder und ich) und eine Einbuchtung (die Lücke, die Du hinterlässt).

Nun trage ich Dich nicht nur im Herzen, sondern auch auf der Haut.

P.S.: Unser Sohnemann hat mich begleitet, und er hat – in einer etwas kleineren Version – dasselbe Tattoo auch gemacht. Hättest Du das gedacht??? Ich nicht!!! Und er freut sich über diesen Schritt …

Lackierte Zehennägel

Eine Leidenschaft, die mein Göttergatte und ich immer geteilt haben, ist Wellness und SPA in all seinen Formen und Facetten. Er war einer der wenigen Männer, die es geliebt haben, sich massieren zu lassen und sein Gesicht, seine Hände und seine Füsse professionell pflegen zu lassen. Und er war der selbsternannte Saunagott – keine Sauna war vor ihm sicher – diesen Teil der SPA-Welten haben wir nicht geteilt. Ich mag keine Sauna.

Wir sind über mehrere Jahre zweimal jährlich in unser weltbestes Wellnesshotel nach Österreich gefahren – immer zusammen mit ganz vielen Freunden und Familie. Es war jedesmal, als ob wir nach Hause kämen. Alles war vertraut, alle haben uns gekannt und es roch schon beim Eingang nach „Seele baumeln lassen“.

Mein Mann war bekannt für seinen trockenen Humor und seine stille Art. Er war nie ein Mensch der lauten Töne – wenn er aber etwas sagte, dann sass es in der Regel genau am richtigen Ort. Und genau dafür wurde er auch dort geschätzt.

Jeden Tag watschelten wir in unseren flauschigen weissen Bademänteln und in den sanften Flauschilatschen ins SPA und freuten uns auf jede einzelne Behandlung wie kleine Kinder an Weihnachten.

Und nun hat mich gestern aus besagtem SPA von der Lieblingstherapeutin meines Mannes eine Mail erreicht. Sie hat von seinem Tod erfahren und hat mir geschrieben, dass sie ihn niemals vergessen werde. Und jetzt kommt’s:

„Wenn ich an Ihren Mann denke, dann immer mit einem Lächeln und der Erinnerung an die Pediküre, bei der ich ihm einmal zum Spass die Zehennägel rot lackieren durfte ….“.

Ja, da ist sie wieder – die Erinnerung an diese absolut kreischlustige Geschichte. Ich weiss noch, wie wir mit unseren Freunden und Kindern im SPA Kaffee sassen und er mit einem breiten Grinsen aus dem Pediküre-Raum kam. Wir konnten uns kaum halten, so haben wir gelacht. Und er war in Windeseile das Gesprächsthema im Haus: „Der Typ mit den rot lackierten Zehennägeln!“ Und er liess die Zehennägel die ganzen Ferien über so.

Danke liebe Gianna, dass Sie mich an diese Episode erinnert haben.

Und danke Mick, dass Du uns damals mit Deinem Humor so herzhaft zum Lachen gebracht hast.

« Ältere Beiträge

© 2025

Theme von Anders NorénHoch ↑