von süss bis ungeniessbar

Ganz schön ruhig hier …

Ja, die letzten Tage bzw. Wochen waren ziemlich ruhig auf meinem Kanal. Viele von euch haben sich nach meinem Befinden erkundigt. Deshalb gleich vorneweg:
Es geht mir gut! Zugegeben, nicht immer, aber meistens.

Durch meine Arbeit als Peer für die Krebsliga und inzwischen auch als selbständige „Flügelfrau“ für Familien mit einem Patienten mit einer unheilbaren Krankheit bin ich gerade sehr eingespannt. Meine Geschichten seit dem Tod meines Göttergatten haben offenbar mehr Menschen erreicht, als ich gedacht habe. Und es sind viele Betroffene da draussen auf mich zugekommen, weil sie wissen möchten, wie ich mit meiner Familie unsere Situation während der Krankheit und nach dem Tod gehandhabt habe. Wer jetzt denkt, es sei nur aus Neugier, den muss ich enttäuschen. NEIN!

Es gibt unfassbar viele Familien, die in ähnlich schwierigen Situationen leben, wie wir das über acht Jahre getan haben. Und weil man in unserem hochzivilisierten Land über tödliche Krankheiten und den Tod nicht redet, ersticken diese Familien fast in ihrem psychischen Elend. Die Tatsache, dass ich offensiv und ziemlich schmerzfrei über all diese Themen kommuniziere, scheint einiges in Bewegung zu bringen. Es wird aber auch Zeit!!!

Inzwischen habe ich soviele Anfragen von Menschen, die schon nur für ein offenes Gespräch dankbar wären, dass ich leider nicht mehr alle annehmen kann. Und das zeigt mir, dass da dringend Bedarf besteht, etwas zu unternehmen. Um die Patienten selber wird sich in unserem Sytem (mehr oder weniger gut) gekümmert. Die Angehörigen, welche die Last und den Druck einer schweren Erkrankung eines lieben Menschen aber VOLL mittragen, die müssen selber schauen, wo sie bleiben. Und wehe, diese Angehörigen müssen dazu noch die monetäre Existenz sichern und sich um den Haushalt kümmern. Dann wird die Luft für innerfamiliäre Hilfestellungen sehr dünn. Zumal unseren Krankenhäusern der Sparhammer im Nacken hängt und die meisten Ärzte schlicht die Zeit nicht mehr haben, mehr als das Nötigste für einen Patienten und seine Angehörigen zu tun. Da ist das Verschwinden von wertvollen Informationen oder das falsche Interpretieren von wichtigen Bildern leider an der Tagesordnung. Übertrieben? Nein, leider nicht!

Alle Hilfesuchenden, die bei mir landen, haben mindestens ein Problem gemeinsam: Sie werden mit ihren Fragen im Regen stehen gelassen. Sie fühlen sich nicht ernst genommen. Sie haben das Gefühl, ein Last für unser krankes Gesundheitssystem zu sein und sehen vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Und da komme ich ins Spiel: Wer weiss besser wie es sich anfühlt, knietief in der Scheisse zu stehen, als jemand der es selber erlebt hat? Ja, ich hätte mir damals zu Beginn unserer Onkogeschichte eine Flügelfrau oder einen Flügelmann gewünscht, der mich hätte anleiten können. Stattdessen habe ich mich tage- und nächtelang in Befunde, Studien und Statistiken eingelesen. Ich habe mich national und international nach Möglichkeiten erkundigt, die meinem Göttergatten mehr Lebenszeit schenken konnten. Ich habe mich mit Ärzten gestritten, die ihn partout einfach abschreiben wollten und ich habe mit meinen Kindern ein familieninternes Onkoboard gegründet, in welchem wir uns regelmässig ausgetauscht haben (6 Augen sehen mehr als 2).

All dies und seine starke Einstellung zum Leben haben uns über mehr als 8 Jahre getragen. Und das, obwohl man uns nicht mehr als 3 – 6 Monate auf dem Lebenskonto gutschreiben wollte. Das zeigt mir, dass wichtige Informationen, ein stabiles Netzwerk und ganz viel Zeit unabdingbar sind, um Lebenszeit gewinnen zu können.

Kein Wunder also, dass es da draussen x Leute gibt, die wissen möchten, ob die Tatsache, dass man sie auch abgeschrieben hat, nun wirklich einfach akzeptiert werden muss oder wie man damit umgehen kann. Und wenn der Tod meines Göttergatten auch nur ansatzweise einen plausiblen Grund gehabt haben soll, dann muss es jener sein, dass ich gelernt habe, mit all diesen komplexen Dingen so gut umzugehen, dass ich es jetzt anderen Familien weitergeben kann.

Und unter anderem deshalb ist es aktuell recht ruhig auf meinem Kanal …!
Übrigens sind Helfer-/innen mit Erfahrung, Mut, Offenheit, Interesse und grossen Herzen sehr gesucht. Entweder als Peers bei der Krebsliga (https://peerplattform.krebsliga.ch) oder als Flügelfrauen-/männer unterstützend direkt bei mir: modepraline@gmx.ch.

Wieviel Wert hat ein Menschenleben?

Ich bin überdurchschnittlich interessiert, wenn es um die Erforschung neuer Medikamente und Therapien im Bezug auf bislang nach wie vor tödliche Erkrankungen geht. Ich lese alles, was es darüber zu lesen gibt. Fremdwörter übersetze ich mir vorgängig so, dass ich inzwischen sogar in der Lage bin, fachliche Studien zu lesen und deren Inhalt auch zu verstehen. Ich bewundere Forscher, die in monate- oder jahrelanger Arbeit etwas entwickeln, was die Medizin wieder einen Schritt weiterbringt. Nur dank diesen Menschen mit dem nötigen Biss und der unglaublichen Hartnäckigkeit ist die Medizin überhaupt soweit, wie sie heute ist. Und doch gibt es da einen grossen Haken:

Die Kosten.

Da steht beispielsweise eine neue Krebstherapie vor der Zulassung in der Schweiz und die grösste Hürde sind die Kosten. Man muss dazu sagen, dass es schier unendlich viele Hürden zu nehmen gilt, bevor eine Therapie oder ein Medikament in der Schweiz die Zulassungvorschriften überhaupt erfüllen kann. Und als ob das nicht schon schwer genug wäre, sind dann die Kosten der nächste Knackpunkt. Die Medikamente kosten zum Teil derart viel, dass eine neue Therapie für einen Patienten locker die Summe einer halben Million Franken übersteigen kann. Dagegen wehren sich natürlich die Krankenkassen, weil die exorbitante Kostenexplosion diese ganz schön ins Strudeln bringt. Und auf der anderen Seite sind die Pharmagiganten, welche nicht auf ihre Milliardengewinne verzichten und deshalb die Preise auch nicht senken wollen. Solange sie die „Alleinherrschaft“ über ein Medikament haben, können sie mit den Preisen machen, was sie wollen. Erst nach Ablauf der 5-Jahres-Patentschutzfrist drücken die Konkurrenten mit Generika auf den Markt und die Preise sinken. Und was passiert in dieser Zeit? Wieviele „Fälle“ werden in dieser Zeit zu den Akten gelegt, weil für sie die unbezahlbaren Therapien leider nicht erschwinglich waren? Mir wird schon beim Gedanken daran übel. Je nach Krankenversicherung und finanziellem Rückhalt kann dem einen Patienten eine Therapie verordnet werden, während sie einem anderen gar nicht erst vorgeschlagen wird, weil er sie ohnehin niemals bezahlen könnte? Leider ja – das gehört mit zum medizinischen Alltag – und wer das verneint, der sagt definitiv nicht die Wahrheit. Unser Gesundheitsystem ist zum kranken Zweiklassensystem geworden und mit dem Überlebenskampf todkranker Menschen wird ein Vermögen verdient, welches ich mit allen Nullen gar nicht mehr aussprechen kann. Eine absolute Sauerei!

Wer aber entscheidet, wieviel ein Menschenleben kosten darf? Und wer definiert die Faktoren, welche zur Bezifferung eines Menschenlebens führen? Spielen da Dinge wie Alter, Geschlecht, Krankheitsbild, Prognose (heilbar, unheilbar) und Status eine Rolle? Gibt es einen Katalog, welchen man mit Kreuzchen ausfüllen und damit errechnen kann, was ein Menschenleben kosten darf? Ich finde das einfach nur pervers!

Irgendwo sitzt ein Gremium, bestückt mit hochintelligenten Individuen und bestimmt, wann und wo welche Therapie eingesetzt werden darf – oder wem diese eben verwehrt bleibt. Und die Krankenkassenkarte tut dann noch das ihrige dazu. Da wird mir speiübel.

Habt ihr euch schon einmal darüber Gedanken gemacht, mit welchem Betrag ihr euer eigenes Leben beziffern würdet. Oder was euch das Leben eurer Liebsten um euch herum wert ist? Mir stellen sich bei dieser Frage die Nackenhaare zu Berge und ich frage mich, ob die Teppichetagen der milliardenschweren Pharmagiganten morgens mit ruhigem Gewissen in den Spiegel schauen können.

In meinem Kopf rotieren aktuell einige Ideen, wie man gerade in unserem überdurchschnittlich reichen Land solche Missstände verbessern oder gar ausmerzen könnte. Und ich werde nicht lockerlassen, wenigstens zu versuchen, etwas zum Positiven zu verändern. Geld darf im Kampf ums Überleben keine Rolle spielen – das ist einfach nur abartig. Ich pushe, supporte und unterstütze bereits, wo ich kann. Und ich werde es weiter tun. Ich bräuchte jetzt einfach noch eine Menge Gleichgesinnter, die mitziehen …

Notbremse ziehen?

Auf unserer Kugel namens Erde leben derzeit 7,32 Milliarden Menschen. Das sind doch ganz schön viele, wenn man bedenkt, dass es 1950 (also vor 65 Jahren) gerade mal 2,53 Milliarden Menschen waren. Was ist bloss passiert? Wie konnte es so weit kommen?

Die Medizin ist sicher das Hauptthema, welches zu dieser Explosion geführt hat. Früher starben die Menschen an der Grippe, bei Hausgeburten oder einfach an verhältnismässig „normalen“ Krankheiten. Heutzutage gibt es fast gegen alles ein Mittelchen. Und während man früher mit 50 Jahren bereits uralt war, steht man mit 50 heute noch mitten im Leben. Die Menschen werden nämlich immer älter. Auch da ist wieder die Medizin mitverantwortlich, neben der Tatsache, dass lebenserhaltende Massnahmen früher gar nicht vorhanden waren. Heutzutage werden auch sehr alte und kranke Menschen solange medizinisch therapiert und aufgebaut, bis sie noch ein oder zwei Jahre weiterleben können (mit oder ohne Lebensqualität). Da lässt sich streiten, ob diese Massnahmen immer sinnvoll sind. Weiterlesen

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