von süss bis ungeniessbar

„Was machst Du eigentlich jetzt?“

Bald sind drei Monate vergangen, seit wir meinen Göttergatten ziehen lassen mussten. Für mich und für viele andere war der Trugschluss logisch, dass es nach drei Monaten eigentlich wieder besser gehen sollte.

Aber eben: T R U G S C H L U S S !!!

Auch wenn ich bestens auf alles vorbereitet war, so haut es mich regelmässig aus der Spur. Und auf die Frage, was ich denn jetzt eigentlich mache, lautet aktuell meine Antwort: Trauerarbeit!

Klar mache ich noch ganz viel anderes. Aber in erster Linie ist es gefühlt fast nur Trauerarbeit. Und ich kann euch garantieren: Es ist das mit Abstand anstrengendste Lebensprojekt, das ich je hatte. Eigentlich ist es Schwerarbeit für Seele und Körper:

. 24/7 – Job
. Wenig Schlaf
. Grosse Verunsicherung
. Täglich neue Situationen
. Üble Träume
. Herzschmerzen
. Motivationsverlust
. Kontrollverlust
. Ständiges Suchen nach neuem Sinn
. 24/7 – Fragen
. 24/7 – Lernen
. Aushalten von Stille
. Aushalten von Einsamkeit
. Physische Reaktionen, die Angst machen (bin ich nun auch krank?).

Ich habe noch nie eine ähnliche Situation erlebt, die mir derart bewusst gemacht hat, dass ich mich selber täglich disziplinieren muss und kann, um mich nicht vom Strudel der Trauer runterziehen zu lassen. Das fängt mit dem Aufstehen morgens an (ohne den vertrauten Geruch des Göttergatten-Kaffees) und hört beim geregelten Zubettgehen abends auf (ohne dass der Göttergatte mich von der Coach holt, damit ich ins Bett gehe). Ja, selbst ist nun die Frau. Und das klingt einfach, ist es aber überhaupt nicht!

Die vermeintlich normalsten Dinge fühlen sich manchmal an, als ob mir jemand an jedes Bein einen Betonschuh gelegt hätte und genauso beschwerlich werden dann auch die Tage und die Aktivitäten. Früher habe ich ohne mit der Wimper zu zucken 6 Dinge gleichzeitig gemacht und hatte dann noch Kapazität, um zu Hause klar Schiff zu machen. Heute mache ich diese Dinge nacheinander und bin abends schon stolz, wenn ich dabei nicht die Hälfte doch vergessen habe. Die Konzentration leidet nämlich unter der Trauer auch massiv!

Und für jene, die es bislang nicht wussten: Trauer kann körperliche Schmerzen verursachen. Es gibt Tage, an denen schmerzt jeder Knochen und ich habe gefühlt übel Muskelkater. Aus dem Nichts, einfach so. Und mein biologisches Alter schätze ich an jenen Tagen auf 93. Schon der Gang zur Waschküche wird dann zum Kraftakt.

Ja, was mache ich eigentlich?

T R A U E R A R B E I T !!!!

Ein saumässiger Chrampf …

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10 Kommentare

  1. Sandra Mäder

    Nach fast 2 Jahren ohne Gino kämpfe ich mit
    -vermissen
    -plötzlichen Weinkrämpfen
    -Panikattacken
    -dem Gefühl einen Herzinfarkt zu haben weil es so schmerzt
    -Schmerzen am ganzen Körper
    -fehlender Kraft
    Etc.etc
    Dann Sprüche wie : reiss Dich zusammen, 21 Monate Trauer sind mehr als genug
    Nein! Für mich fühlt es sich an als sei es gestern gewesen als mein Herz in tausend Einzelteile zersprungen ist. Als hätte ich gestern erst am Bett von Gino gestanden und gehofft das ich aufwache und alles nur ein Alptraum war.

    • modepraline

      Ich verstehe und spüre jede Zeile, die Du da schreibst. Sprüche, wie Du sie oben beschreibst, können nur von Menschen kommen, die entweder NIE geliebt haben oder noch nie einen geliebten Menschen verloren haben. Sonst würden sie einen solchen Blödsinn gar nicht von sich geben. All unsere Symptome und die unfassbare Trauer sind der Preis, den wir für die Liebe bezahlen. Könnten wir nicht lieben, hätten wir all das gar nicht. Und für nichts auf der Welt würde ich deswegen einmal von dieser Welt gehen müssen, ohne geliebt zu haben. Es bleibt steinig – wird aber irgendwann „sanfter“, davon bin ich überzeugt.
      Ich verstehe Dich so gut, liebe Sandra – und ich habe nicht ansatzweise das erlebt, was Du erleben musstest. Fühl Dich gedrückt!

  2. Edith

    Trauer, Lebenskrise, das schwarze Loch zog mich völlig ins Nichts. Beruflich am Anschlag, ich konnte und wollte nicht mehr. Ich staune noch heute, dass es doch wieder bergauf ging. Habe einen Fallschirmsprung am Tandem gemacht aus 4000m Höhe. Engel schwirrten rum im freien Fall, Himmel und Hölle zugleich, katapultierten mich in einen Zustand, fast unbeschreiblich, es half. Wieder festen Boden unter den Füssen. Mein Horizont öffnete sich, eine Kraft entstand, mein einziges Leben neu zu formatieren. Nie und nimmer werde ich wieder aus einem Flieger springen, das ist sicher! Alles Liebe ❤️

    • modepraline

      Wow, Du machst ja Sachen, liebe Edith. Die Idee mit dem Fallschirmsprung ist mir zum Glück bisher nicht gekommen und ich hoffe, dass das so bleibt. Es gibt soviele unterschiedliche Situationen, die einen im Leben an die Grenze bringen können. Und ich hoffe, dass der Spruch „was mich nicht umbringt, macht mich stärker“ auch wirklich stimmt!
      Danke, liebe Edith 🙂

  3. Coach

    C‘est fini. Aus, Schluss, vorbei.
    Der brutalste Moment der Trauer.
    Mit Vollgas frontal in die Depression.

    Man glaubt nach Auflehnung, Nicht-Wahrhabenwollen, Wut auf die ganze Welt über die Ungerechtigkeit, dass ausgerechnet der Herzensmensch viel zu früh sterben musste, schlussendlich realisiert und notgedrungen akzeptiert zu haben, dass er / sie nie mehr zurückkehren wird und man merkt, dass das Loslassen kein Verlust bedeutet, weil man im Herzen auf ewig verbunden bleiben, da kommt plötzlich das Bewusstsein einer Leere.

    Das schwarze Loch.
    Ich habe nicht nur meinen Herzensmensch verloren, sondern mein ganzes bisherige Leben auch. Mein altes Leben ist vorbei?!
    Macht mein Leben denn noch Sinn?
    Nachdem man den unsäglichen Schmerz über den Verlust bereits überwunden glaubt, wird man buchstäblich an den Anfang zurückkatapultiert.

    Es ist vorbei – mein schönes Leben!!!
    Ich will und mag nicht mehr! Für was soll ich überhaupt kämpfen? Sterben, dann hat man es endlich selber auch geschafft.
    Man hat schon alles im Kopf durchgespielt, da kommt meist unerwartet ein Signal, einen Grund zum weitermachen. Ich habe Aufgaben, es braucht mich. Mein Leben hat vielleicht doch etwas Sinnhaftes?

    Also alles wieder von vorne. Unsägliche Schmerzen über den Verlust des alten Lebens, Ängste vor dem Alleinsein, Verzweiflung, wie weiter?

    Trauerarbeit Teil 2:
    Akzeptieren, dass das alte Leben nicht mehr zurückkommt. Loslassen, neue Wege suchen.
    Sisyphus lässt Grüssen.
    Und es ist viel schwerer, weil das Fehlen jedes kleinsten Details als Verlust wahrgenommen wird, Verzweiflung weckt und hoffnungslos macht.

    Aber Moment: niemand hat behauptet, dass wir diese Trauerarbeit ganz alleine machen. Jetzt braucht es sie wieder, die lieben Freunde. Und ja, man darf wieder bei null starten, tränenüberströmt das Gleiche berichten, das einem schon vor drei, sechs, neun oder mehr Monaten jede Kraft und Zuversicht geraubt hat. Und keine Angst – für die Trauer gibt es kein Ablaufdatum und für das Verständnis echter Freunde auch nicht.

    Es ist wie so oft: Vieles kann man richtig machen und nur wenig falsch.
    Falsch ist „Copy Paste“. Es gibt nur diesen einen Herzensmenschen und nur diese eine gemeinsame Zeit. Ersatz zu suchen, um möglichst alles weiterzuführen, wie man es lieb gewonnen hat, bringt nur Enttäuschung.
    Falsch ist auch das „Zumüllen“ aller Emotionen durch ablenkende Aktivitäten („Workaholic“). Das mag eine gewisse Zeit lang gut gehen, umso tiefer ist der Fall, wenn alles plötzlich wieder hochkommt, garniert mit Schuldgefühlen und Selbsthass.

    Nach 3 Jahren lerne ich gerade von einer Peer. Wie befreiend ist ein Blog (wenn man genügend Mut hat). Wie erleichternd sind die Kommentare:
    „Du bist nicht allein – du bist nicht einsam“!

    Na dann einmal los:
    Wieso fehlt der Kaffeegeruch überhaupt?
    Was empfinde ich? Was fehlt mir – der Herzensmensch oder die Zuversicht, nur mit den Erinnerungen an diesen und offen für wertvolle Begegnungen einen freudvollen Tag erleben zu können? Oder sind es Schuldgefühle, etwas schönes allein erleben zu dürfen, was vorher partnerschaftlich und liebevoll geteilt wurde?

    • modepraline

      Da braucht es keine Worte mehr ausser: Dankbar, Menschen zu haben, die SO FEST verstehen! 🙂

  4. Simone

    Oh wow, was für ein Kraftakt. Ich lese deine Zeilen und möchte dir laut zurufen: du machst das gut, du schaffst das, weiter so!!! Aber mein Kloss in der Kehle lässt mich verstummen, Tränen kommen hoch und ich möchte dich einfach nur umarmen, ganz still und sanft. Und ich möchte dir sagen, wie ich alles, was du schreibst lese… und nicht weiss was ich kommentieren soll, weil mich alles so triggert… noch… und mich in mein eigenes Selbstmitleid sinken lässt…du da bist wo ich sein werde und taminomal nicht hin will, weil ich noch KEINE Ahnung habe wie das gehen soll, wie ich das schaffen werde…und gleichzeitig spüre ich deine Kraft, deine Energie und auch all deine Müdigkeit. Und es ist soso gut, dein authentisch sein. Ich danke dir dafür! Und ich wünsche dir von Herzen, dass deine Betonschuhe irgendwann wieder leichter werden oder du zwischendurch die luftigen Flipflops trägst.

    • modepraline

      Was für ein wunderbarer Kommentar, danke dafür. Menschen wie wir tragen sich gegenseitig. Manchmal trägt der Peer, manchmal wird er getragen – nur so geht es. Gemeinsam, statt einsam! Danke liebe Simi 🙂 Ihr macht das so wunderbar.

  5. Marti Beatrice

    viel kraft und ausdauer kann ich da nur wünschen
    🍀🐞🌞

    • modepraline

      Das kann ich gebrauchen, dankeschön 🙂

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