von süss bis ungeniessbar

Grenzen sprengen für Anfänger

Ich gehöre nicht zu den Mutigen dieser Welt. Eigentlich würde ich sogar soweit gehen, dass ich in vielerlei Hinsicht ein wahrer Angsthase bin. Die letzten Jahre auf dem Onkoplaneten haben das leider nicht besser gemacht – im Gegenteil. Ich wurde noch ängstlicher und fatalistischer. Nun probiere ich mich Schritt für Schritt wieder mehr in Richtung Mut und Freiheit zu kämpfen. Was für andere ganz normal ist, wird für mich eine Herkulesaufgabe.

Welche persönlichen Grenzen habe ich die letzten Tage für mich gesprengt?

. Ich habe einen Nachtflug absolviert.
. Ich habe eine klimatisierte Mall mit Kunstlicht und gefühlt Millionen Menschen besucht.
. Ich bin jeden Tag im Meer geschwommen, selbst mit ziemlichem Wellengang.
. Trotz Quallen habe ich mich ins Meer gewagt.
. Ich habe mich in ein Kopftuch und einen Umhang gehüllt.
. Ich habe eine Moschee zu besucht.
. Ich habe beim Chinesen gegessen.
. Ich bin trotz massiver Bauchprobleme (hat nichts mit dem Chinesen zu tun) nicht vorzeitig abgereist.

So, und auch wenn das für die meisten von euch vermutlich keine wirklich mutigen Aktionen sind, so klopfe ich mir jetzt einmal selber auf die Schulter und sage:

GUT GEMACHT! Die Richtung stimmt. Zwar in kleinen Schritten, aber in die richtige Richtung.

Ich weiss, dass der Göttergatte verdammt stolz auf mich wäre, denn er wusste, was für ein Angsthase ich bin. Wie sage ich immer so schön: Je grösser die Klappe, umso kleiner der Mut. Stimmt in meinem Fall absolut!

Ich nehme jetzt also noch die nächsten 12 Stunden Rückreise in Angriff und dann bin ich ein kleines bisschen weiter in meiner persönlichen Entwicklung. Und die wird niemals aufhören – solange ich lebe nicht!

Grenzen sprengen

Ich bin gerade dabei, meine persönlichen Grenzen ohne den Göttergatten zu sprengen. Was für andere normal sein mag, braucht für mich ganz schön viel Mut. Beispielsweise ein Flug über Nacht. Das letzte mal habe ich das auf unserer Hochzeitsreise gemacht. Und ich fand es grauenhaft und habe mir geschworen, das nie mehr zu tun.

Und jetzt? Ja, mit meiner Reisebuddy Manu habe ich es getan. Wir sind über Nacht in die Emirate geflogen. Ich hatte im Vorfeld gefühlt 20 verschiedene Gründe, es nicht zu tun – von Migräne bis Magendarmgrippe eigentlich fast alles. Wie kann man bloss so kompliziert sein wie ich? Wer mit mir unterwegs ist, braucht echt Nerven wie Drahtseile. Schliesslich …

… könnte das Wetter schlecht sein,
… die Menschen könnten stinken,
… das Essen könnte verdorben sein,
… ich könnte krank werden,
… es könnte kein Arzt vor Ort sein,
… es könnten gruselige Bakterien an allen Türfallen lauern,
… und ich könnte noch 100 andere Ausreden finden, um mich meinen Ängsten nicht stellen zu müssen.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann diese unsäglichen Ängste angefangen haben. Aber ich meine, dass es mit der Krankheit meines Göttergatten so richtig eskaliert ist. Ich musste immer sicher sein, dass irgendwo ein Krankenhaus in der Nähe war. Ärzte habe ich im Vorfeld schon rausgesucht. Und die Flugverbindungen zurück in die Heimat (zur Not mit der Rega) habe ich auch immer im voraus schon gecheckt. Und ich war immer auf Alarm, wenn ich mit ihm in unvertrauten Gefilden war, weil ich nie wusste, ob etwas passieren könnte.

Ja, passieren kann auch zu Hause immer etwas – schon klar. Aber dort sind die Abläufe vertraut, alles geht schnell und man weiss sofort, was zu tun ist.

Also habe ich – die ohnehin eher auf er ängstlichen Seite steht – in diesen über acht Jahren auf dem Onkoplaneten diese Ur-Ängste noch gefüttert und muss sie nun mühsam wieder abtrainieren. Das heisst: Nein, eigentlich müsste ich das nicht. Aber wenn ich mit meinen 57 Jahren die Ketten nicht sprenge, dann halten die mich bis an mein Lebensende gefangen. Drum ist es an der Zeit, auch ohne meinen Göttergatten auf meinem Weg immer wieder Schritte zu machen, die Mut brauchen und mir zeigen, dass ich ganz viel schaffen kann!

Heute früh in Abu Dhabi hat mich ein Falke fasziniert, dessen Job es war, die mühsamen Spatzen vom Frühstück fernzuhalten. Ein anstrengende Arbeit, die er da zu verrichten hatte. Immer wieder Anlauf holen zum Start – Runden drehen und zurück zum Falkner, um sich für die nächste Runde vorzubereiten. In etwa so fühlt sich Trauerarbeit an. Runde für Runde! Ich habe hier also einen Verbündeten gefunden.

Von der Raupe zum Schmetterling …

… das wäre der Optimalfall der weiblichen Wechseljahre. Sich verpuppen, schlafen, schlüpfen und wunderbar leicht und neu erschaffen durchs Leben flattern. Mir wollte das nicht so recht gelingen. Ich habe mich zwar verpuppt, geschlafen, bin dann aber aus meinem Cocon gefallen und mit einem relativ kompakten Körper und viel zu kleinen Flügeln unsanft gelandet. Irgendwie lief das nicht wie geplant. Und weil mein Ego und meine ständig schweissgebadete Seele einen Booster brauchten, habe ich mich in die Hände DER lustigsten Schweizer Profistylistin Luisa Rossi begeben.

Ich habe mich ihr blind anvertraut – ein ganz neues Gefühl für mich. Normalerweise bin ich diejenige auf der beratenden Seite. Was für eine Herausforderung für ein Alphatierchen wie mich.

„Vertrau mir, ich mache das!“

Ich war sowas von gespannt, was jemand aus mir machen würde, der mich nicht aus meinem Alltag kennt.

„So meine Liebe, jetzt sage ich was geht – und hole noch die passende Tasche!“

Ich hatte eigentlich nur den Auftrag, geschehen zu lassen, was geschehen würde. Und sie rannte wie ein Wiesel durch den gesamten Riesenstore von PKZ an der Zürcher Bahnhofstrasse.

… okay, ein Missgriff durfte sein – ich fühlte mich wie Currywurst in Pelle …

Ansonsten brachte mir Luisa so ziemlich alles, was ich in meinen Schränken nicht ohnehin schon habe – ich wollte raus aus meiner Comfortzone!

„Stell Dich mal hin wie ein Model!“
„Knick die Hüfte ein ….!“
„Okay, lehn Dich an die Wand!“ (Anlehnen kann ich …)

Ich habe keine Ahnung, wieviele Schritte Luisa gemacht hat. Ich weiss nur, dass ich geschwitzt habe wie ein grunzendes Tier mit Ringelschwänzchen. Und das alleine vom ständigen Umziehen.

„Statement-Shirts gehen immer!“
… zugegeben, diese Jacke habe ich dazwischen gemogelt …
„Luisaaaaaa – ich schwiiitze!!!“
Spuren eines Stylingmarathons …
… und ich musste nicht mal aufräumen.
Kombis, die mir sonst niemals eingefallen wären … uns die passende Tasche zum Schuh …
… und Kleider, die ich im Leben nicht beachtet hätte …

Es tut manchmal gut, sich aus der gewohnten Zone herauszuwagen und den Lead jemand anderem zu geben. Luisa war heute meine Schokolade für die Seele und der Booster für mein Ego. Wer weiss, vielleicht lernen ja auch kompakte Schmetterlinge mit kleinen Flügeln noch fliegen. Luisa hat da ganze Arbeit geleistet.

… wenn Yoga-Cracks entspannen, dann ist Spass garantiert …
Gute Laune auf zwei Beinen 🙂

Wer sich einmal in sehr begabte, lustige und ausgesprochen sympathische Hände begeben möchte – ich kann sie nur empfehlen.

Danke für dieses Erlebnis, meine liebe Luisa.

Das Leben ist eine Pralinenschachtel

Eine liebe Freundin hat heute zu mir gesagt: „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel.“

Ich habe über den Satz nachgedacht und mir überlegt, wie unser Leben „nach Corona“ (wenn es das denn überhaupt gibt … NACH …) aussehen wird. Und dabei ist mir die Pralinenschachtel wieder eingefallen. Wir wissen alle nicht, was auf uns wartet. Und genauso verhält es sich mit einer gemischten Pralinenschachtel. Wir haben keine Ahnung, was da drin ist und ob wir das mögen oder nicht. Bei den Pralinen können wir einfach zur Not nur anbeissen und wegschmeissen, wenn es nicht mundet. Im wahren Leben funktioniert das leider nicht. Wäre ja zu schön: Morgens den Tag beginnen und wenn es sich scheisse anfühlt, dann einfach wegschmeissen und einen neuen Tag nehmen. Das wäre unglaublich toll!

Ich schätze mal, dass jene, die diese Zeit überstanden haben, irgendwann im Herbst ihre Schachtel öffnen und – im Optimalfall – eine Menge feiner Pralinen drin sind. Es wird vielleicht so zwei oder drei haben, die nicht wirklich lecker schmecken, aber die sind zu verschmerzen.

Es wird aber auch jene geben, die die Schachtel öffnen, und mehrheitlich Schokolade vorfinden, die sie nicht ausstehen können. Die werden dann wohl auf etwas Neues umschwenken müssen.

Dann wird es jene geben, die in der Schachtel anstelle von Schokolade lauter Scheisshäufchen drin haben. Die werden gut daran tun, die Schachtel weit weg zu schmeissen und den Mut nicht zu verlieren, dass es wieder besser wird.

Leider wird es auch solche haben, die ihre Schachtel gar nicht mehr öffnen können.

Ja, ich muss zugeben, der Vergleich mit der Pralinenschachtel ist gar nicht so schlecht. Wenn ich hier dann bitte meinen Wunsch anbringen könnte: Ich möchte KEINE DUNKLEN Pralinen drin, die mag ich nicht. Könnte das – wer auch immer da auffüllt – bitte berücksichtig werden. Dankeschön! 🙂

Lachen erlaubt

Krebs ist ein Arschloch! Da sind wir uns wohl alle einig. Jeder, der in irgendeiner Form von Krebs betroffen ist weiss, was ich meine. Egal, ob selber Patient oder ob Begleitperson – das Krabbentier ist hinterlistig, unberechenbar und fies. Und bei einer Diagnose mit dem Begriff „unheilbar“ vergeht einem erst mal das Lachen.

Im Verlauf der Krankheit muss man irgendwie lernen, hin und wieder trotzdem mal zu lachen. Lachen entspannt, ist gesund und gibt dem Gehirn den Impuls, Endorphine (Glückshormone) auszuschütten. Ohne diese ist das Leben zwar zu bewältigen, macht aber nicht wirklich viel Sinn. Wir kämpfen nun seit über zwei Jahren gegen das Krabbentier, welches bei meinem Göttergatten diverse Zimmer bezogen hat. Und wir versuchen (mal mit mehr oder weniger Erfolg), das Leben trotzdem nicht immer ganz so ernst zu nehmen. Und da gehört auch mal eine gehörige Portion Galgenhumor und Lachen dazu.

Wieder einmal ganz eindrücklich erlebt haben wir dies heute im Wartezimmer der Onkologie. Normalerweise sitzen die Menschen dort betrübt, still und mit starrem Blick ins Leere oder auf den Boden. Die Stimmung lädt nicht gerade zum Tanzen ein, was absolut verständlich ist. Es wird aber auch nicht einfacher die Krankheit zu ertragen, wenn man sich und der Umwelt das Lachen verbietet. Und so kommt es des Öfteren mal vor, dass ich mit jemandem im Wartezimmer ins Gespräch komme. Daraus entwickeln sich nicht selten ganz lustige Episoden, welche schlussendlich alle zum Lachen verleiten. Und schwupp, steigt die Stimmung von eisigen unter null Grad in eine erträgliche Höhe.

Ich sage nicht, dass Krebs lustig sei – absolut nicht. Im Gegenteil. Die Krankheit wirft eine Familie ganz schön aus der Bahn und verlangt allen viel ab. Allen voran dem Patienten – den Angehörigen aber oft nicht weniger. Und deshalb ist es wichtig, dass man auch mal lachen darf. Viele Menschen meinen, bei Krebspatienten einfach nicht mehr lachen zu dürfen, weil es pietätlos sei. Das ist totaler Quatsch! Es hilft einem Patienten nicht, wenn er schon krank ist und ihm alle nur noch mit Mitleidsgesicht oder Trauermiene begegnen.

Die Krankheit ist allgegenwärtig – 24 Stunden am Tag. Das bedeutet aber nicht, dass man 7 Tage die Woche nur noch trauern muss. Man darf auch mal unbeschwert lachen – dem Krebs ist das nämlich ohnehin egal. Oder nein: Der freut sich, wenn man sich nicht mehr zu lachen traut. Er ist nämlich ein Arschloch. Je mehr man die Kraft hat, sich trotz erschwerter Lebensumstände zu freuen und zu lachen, umso schlechter fühlt sich das Krabbentier in seiner Wohnung. Und was ist genialer, als dem hinterlistigen und ungebetenen Untermieter das Leben so unangenehm wie möglich zu machen?

Go for it – Weinen erlaubt und gehört dazu … Lachen aber auch! 🙂

 

« Ältere Beiträge

© 2025

Theme von Anders NorénHoch ↑