von süss bis ungeniessbar

Geschafft!

Mit Tränen habe ich meinen Koffer gepackt. Mit Tränen bin ich heute morgen aufgestanden. Ich habe mich nicht sonderlich gut gefühlt. Aber ich habe es durchgezogen:

Ich bin mit meinen Freunden nach Palma geflogen.

Bis gestern war ich mir nicht sicher, ob ich es wirklich tun würde. Ich sass heulend vor dem Koffer und habe mich gefragt, was ich da eigentlich tue. De facto war ich mir auch heute noch nicht sicher. Aber ich hatte im Kopf beschlossen, die Angst, die Ungewissheit und die tausend Vorwände nicht gewinnen zu lassen. Und ich weiss, dass mein Göttergatte stolz auf mich wäre.

Ich muss gestehen: Ich bin in der absolut privilegiertesten Situation, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe nämlich Freunde, die keinen Druck machen und sagen: „Lass Dich nicht stressen – wenn es geht, kommst Du mit. Wenn nicht, dann nicht. Und wenn es Dir beschissen geht, dann sind wir an Deiner Seite!“

Danke Leute!

Und so haben wir heute mit ganz viel Lachen, unzähligen Schritten und einigen Shoppingtüten die Stadt Palma und ihre charmanten Gassen unsicher gemacht. Es gab tatsächlich einige Plätze, an die ich mich auf einmal vom letzten Sommer erinnert habe. Plätze, die ich mit meinem Göttergatten auch besucht hatte. Komischerweise hatte ich NICHT mehr auf dem Radar, dass ich ja letzten Sommer mit der ganzen Familie hier auf der Insel war. Es fühlt sich nämlich an, als ob zwischen dieser Zeit und jetzt ein halbes Leben liegt. Und ich lerne gerade, dass diese Erinnerungen schön sind – auch wenn sie manchmal weh tun.

Das beste, was einem nach dem Verlust eines geliebten Menschen passieren kann, sind Herzmenschen, die einen umgeben und beim Heilen begleiten.

Und ja, ich bin stolz auf mich. Es braucht Kraft, diese geplanten Dinge umzusetzen und nicht im letzten Moment doch abzuspringen. Aber mit jedem weiteren Schritt, den ich in die Richtung meines „neuen Lebens“ mache, bewege ich mich im Trauerprozess nach vorne. Mir ist bewusst, dass die nächsten seelischen Tauchgänge kommen werden. Bis dahin geniesse ich jetzt aber mal die kurze Auszeit in Palma.

Die Natur erwacht …

… und das ist wunderbar! Oder doch nicht?

Hey Mick

Die Sonne scheint, die Blumen blühen, die Vögel zwitschern und die Tage sind wieder länger und heller. Die Jahreszeit, in der sich eigentlich alles leichter anfühlen sollte. Nicht so bei mir.
Im Garten bin ich über Deine Gartenhacke und den Eimer gestolpert – ZACK, Triggeralarm.
Ich höre ein Motorrad – ZACK, Triggeralarm.
Mir fährt ein Cabriolet entgegen – ZACK, Triggeralarm.

Du würdest jetzt durch den Garten kriechen und Unkraut jäten. Entspannung und Energie tanken, hast Du das immer genannt. Du hättest Dein Motorrad aus dem Winterschlaf geholt und wärst schon die ersten Kilometer gefahren und Dein Cabriolet hätte auch schon die Garage verlassen dürfen.

Ja, gefühlt alles erwacht zu neuem Leben, nur Du nicht. Das fühlt sich auf einmal furchtbar falsch an! Ich weiss, Du schüttelst jetzt den Kopf und sagst: „Geht’s noch? Freu Dich über all die schönen Dinge, ich würde das nämlich auch tun!“

Ich kann lachen – und ich kann fröhlich sein. So ist es nicht! Aber wenn ich der Natur beim Blühen zusehe und die Motoren der Schönwettermaschinen höre, dann fühlt sich das so ein bisschen an wie Verrat. Eine total unlogischer Gedanke, das weiss mein Kopf. Mein Herz tut aber oft so weh, dass es fast aus dem Brustkasten springt. Dann schleicht sich ein Gefühl von schrecklichem Vermissen ein und die Tränen laufen, ohne dass ich etwas dagegen machen kann.

Ich habe im Sinn, ans Meer zu fliegen. Und da ist es wieder, das Gefühl von Verrat. Du hast das Meer geliebt. Du hast das Fliegen geliebt. Und würde ich es nun nicht mehr tun, weil Du nicht mehr hier bist, würde das rein gar nichts an der Tatsache ändern, dass Du eben nicht mehr hier bist. Was für dämliche Gedankengänge.

Meine Ratio weiss, dass ich nichts daran ändern kann, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende ist. Meine Gefühle wehren sich oft sehr dagegen. Gerade jetzt, wo man glauben müsste, die Sonne und die frische Luft würden alles einfacher machen, fällt es mir besonders schwer.

Weisst Du eigentlich, dass ich in letzter Zeit sehr hinterfrage, ob ich während der acht langen Jahre Deiner Krankheit wirklich immer 100% gegeben habe. Ich habe das medizinsche Tagebuch dieser Jahre schon mehrfach wieder gelesen und immer wieder stelle ich mir die Frage: „Hätte es irgend an einer Stelle eine andere Abzweigung geben müssen, die ich übersehen habe?“ Blödsinn! Ich weiss. Du schüttelst jetzt wie ein Irrer den Kopf und schaust verständnislos. Ja, auch da: Mein Kopf weiss, dass ich alles gegeben habe, was ging. Und vermutlich genau deshalb kann meine Seele noch immer nicht verstehen, dass der Kampfmodus jetzt vorbei ist.

Ja, ich weiss, dass wir auf der ganzen Linie als Gewinner durch diese Onkozeit gegangen sind. Dreamteam Jäggi hat volle Kanne aus einer palliativen Diagnose mit einer Prognose von wenigen Monaten mehr als acht Jahre gemacht. Was für eine grandiose Leistung. Und doch hauen mich diese schönen Tage ohne Dich immer wieder aus der Spur.

Du fehlst so sehr.

P.S.: Du hast mir gesagt, dass Du Dir um mich keine Sorgen machst, weil Du weisst, dass ich es easy alleine schaffen werde. Ich kann Dir diesmal so richtig laut widersprechen. Es ist alles, aber ganz bestimmt NICHT easy!

Der Sinn des Lebens

Mein Coach hat mich gestern nach dem Sinn meines Lebens gefragt. Wow, ganz schön philosophisch. Und meine Antwort ganz schön platt: Glück und Zufriedenheit. Mit dieser Antwort hat er sich nicht zufrieden geben wollen. Er wollte es genauer wissen. In meinem Kopf war Sturm! Es kann doch nicht sein, dass ich den Sinn meines Lebens nicht einfach raushauen kann. Was soll das?

Nun, die Frage hat eigentlich darauf abgezielt, ob ich durch den Verlust meines Göttergatten den Sinn meines Lebens verloren habe. NEIN – habe ich nicht!

Ich habe nach dieser Frage aber intensiv weiter gegrübelt. Wie benenne ich ihn nun, den Sinn meines Lebens? Und ich habe bis spät abends philosophisch viel zu weit gesucht. Eigentlich ist es in meinem Fall nämlich ziemlich einfach:

Als Familienmensch und Freundin ist der Sinn meines Lebens, meine Liebsten um mich herum lieben zu dürfen und von ihnen geliebt zu werden. Und weil ich mehr als „nur“ Ehefrau, Sparringspartnerin und Lebensbegleiterin meines Göttergatten war, habe ich durch seinen Tod wohl eine grosse Lücke in mein Leben gerissen bekommen, aber ich habe definitiv den Sinn des Lebens nicht verloren.

Diese Erkenntnis hat mich mit einer tiefen Dankbarkeit erfüllt. Ich habe das Privileg, von ganz vielen Menschen geliebt zu werden, weil ich auch sehr viele Menschen sehr lieben kann. Da gibt es

. meine Kinder
. meine Enkelkinder
. meine Eltern
. meine Schwiegerkinder
. meinen Bruder und seine Familie
. meine grosse Familie
. meine Freundinnen und Freunde

und viele Wegbegleiter-/innen, die ich niemals missen möchte.

Keiner dieser Menschen kann meinen Göttergatten ersetzen. Das ist aber auch nicht das Ziel. Das Ziel meines Lebens ist es, die Liebe niemals zu verlieren und glücklich sein zu dürfen. Und ich merke gerade, dass ich zwar gerade einen harten Schlag verarbeiten muss, weil ich EINE grosse Liebe des Lebens verloren habe. Alle anderen sind aber noch da! Und all diese anderen Menschen helfen mir, mit der Lücke leben zu lernen, die mein Göttergatte hinterlassen hat.

Auch wenn es mir manchmal schwer fällt, mich aus meinen Löchern wieder ans Licht zu kämpfen, so weiss ich eines mit Sicherheit: Da sind immer Menschen, für die es sich zu leben und zu lieben lohnt. Und da bin ja noch ich! Ja, ICH gebe dem Leben nämlich auch ganz viel Sinn. Warum?

Weil ich es immer wieder schaffe, anderen einen Sonnenstrahl ins Herz zu zaubern.
Weil ich durch meine Liebe starke Bänder zwischen Menschen erschaffen habe, auf die ich stolz bin.
Weil es Menschen gibt, die durch mich einen Sinn in ihrem Leben sehen.

Ja, ich darf ruhig auch mal mir auf die Schulter klopfen. Ich hadere nämlich in letzter Zeit soviel mit mir und mit den Geschehnissen der letzten 8 1/2 Jahre, dass ich dabei fast vergesse, wieviel ich eigentlich in diesem einen Leben schon bewegt habe. Und wenn ich mir ins Bewusstsein rufe, wieviel das wirklich ist, dann habe ich ihn, den Sinn meines Lebens. Und all das hat nur funktioniert mit ganz viel Liebe. Nun gilt es, selber auch für mich dankbar zu sein. Selbstliebe wäre der Schlüssel – ich bin auf dem Weg … weg von Selbstkritik und viel zu hohen Ansprüchen an mich, hin zu einer grossen Umarmung, nur für mich.

Danke Coach, für den wertvollen Denkanstoss!

Wenn aus Lachen Panik wird

Es ist schön zu wissen, dass da draussen sich ganz viele Menschen fragen, warum die Modepraline aktuell nicht sehr aktiv auf ihrem Schreibkanal ist. Es erreichen mich täglich Fragen von Leser-/innen. Danke dafür! Ihr seid spitze – ich weiss, dass ihr merken würdet, wenn es mich nicht mehr gäbe.

ABER: Es gibt mich noch – einfach gerade in einer sehr für mich ungewohnten Form. Ich, die Starke, die für alles immer eine Lösung hat und wunderbar anderen aus dem Schlamassel helfen kann, stecke gerade selber fest im Morast der Trauer und der Verarbeitung. Eine ausgewachsenen Panikattacke vor wenigen Tagen hat mich komplett aus der Spur gespült. Ich dachte kurz, dass es das jetzt gewesen sein muss mit mir. Mein Gehirn hat meinem Körper Dinge suggeriert, die das System komplett zum Erliegen gebracht haben. Dankeschön! Hätte ich nicht wirklich gebraucht.

Ich habe mit Wut, Trauer, Selbstvorwürfen und Verzweiflung reagiert. Ich hatte doch alles so gut im Griff und dann hat aus dem Hinterhalt diese miese Panik zugeschlagen.
Warum?
Warum jetzt?
Warum passiert das mir?

Nun, ich habe glücklicherweise sofort Hilfe geholt und weiss nun, dass mein Kopf mich ganz schön verarscht. Und eigentlich tut er das auch nur, weil ich ihn lange acht Jahre darauf trainiert hatte, nichts zu vergessen, alles zu merken, nichts zu verpassen und niemals die Kontrolle zu verlieren. Nur so war es möglich, die Krankheit meine Göttergatten managen zu können. Ich habe mich selber zum Onkokrieger an der Front trainiert – jederzeit einsatzbereit. Und dann?

Mit dem Tod meines Mannes hat der Krieg von jetzt auf gleich aufgehört und mein Gehirn scheint noch nicht zu verstehen, dass es aus dem Kriegszustand wieder auf Normalmodus schalten könnte. Nun – acht Jahre Kampf-Training muss man sachte wieder abtrainieren. Das passiert nicht von selber – wie ich gedacht hatte.

Das Lachen ist mir also gerade mal vorübergehend gehörig vergangen. Ich musste:

. Hilfe holen
. Hilfe annehmen
. Schwäche zulassen
. Kontrolle abgeben
. Hilfsmittel einsetzen.

Alles Dinge, die mir schwer fallen. Ich stehe nämlich gefühlt mein ganzen Leben schon immer auf der Helferseite. Und ich lerne grad, wie verdammt viel schwieriger es ist, Hilfe anzunehmen. Ich gefalle mir nicht in der aktuellen Rolle. Aber: Meine Psyche holt ungefragt ganz viele Bilder der 8 Kampfjahre wieder in meine Bewusstsein, von denen ich dachte, ich hätte sie ganz gut in der Büchse der Pandora verstaut. Leider hat mein Unterbewusstsein den Schlüssel gefunden und es passieren Dinge, auf die ich gerne verzichtet hätte.

Acht Jahre auf dem Onkoplaneten hinterlassen Spuren.

Fiese Albträume holen mir unzählige Situationen auf sehr schräge Art wieder ins Bewusstsein. Und immer stehe ich im Traum auf der Verliererseite. Ich schaffe nicht, was ich schaffen sollte – ich finde nicht, was ich finden sollte – ich erreiche nicht, was ich erreichen sollte und ich wache auf und bin gerädert und traurig.

Hätte es da noch mehr gegeben, das ich hätte tun können für meinen Göttergaten? Mein Kopf weiss: NEIN – DU HAST ALLES MENSCHENMÖGLICHE GETAN! Mein Unterbewusstein und meine Träume suggerieren mir: DOCH, DU HÄTTEST NOCH MEHR TUN MÜSSEN!

Aktuell versuche ich, mich aus dieser fiesen Spirale zu kämpfen. Und ich stehe zum Glück nicht alleine im Ring. Neben Familie und Freunden habe ich einen hervorragenden Profi-Coach, der sowohl fachlich als auch aus Erfahrung in meiner Ecke im Ring steht und mir im richtigen Moment die eingesteckten Schläge verarztet. Und der dafür sorgt, dass ich weiterkämpfe – diesmal einfach für mich!

Und wenn wir schon im Ring und damit im Sport sind: Besagter Profi hat mir sogar Sporttipps gegeben, wie ich lernen kann, eine Panikattacke selber abzuwenden. Dazu gehören unter anderem auch Rumpfbeugen! Leute, stellt euch mal das unsportlichste Geschöpf Westeuropas vor, wie es 10 Rumpfbeugen machen sollte. Alleine das Bild in meinem Kopf hat dafür gesorgt, dass ich so lachen musste, dass mein Zwerchfell mir die Angst kurzfristig aus dem Brustkasten geschüttelt hat.

Danke dafür!

Ich werde wieder zur Alten … es braucht einfach grad etwas Zeit und Geduld. Und das ist ja bekanntlich meine Kernkompetenz …

Turbulente Zeiten …

… und dann DAS!

Ich habe in letzter Zeit viele Mitteilungen von besorgten Leser-/innen bekommen, weil von mir keine Beiträge mehr hochgeladen wurden. Nun ja, ich gehe grad durch turblente Zeiten mit vielen Hochs aber eben halt auch vielen Tiefs. Da fehlt mir manchmal schlicht die Kraft zum Schreiben – und das braucht viel. Das Sitzen an der Tastatur und das Starren auf den leeren Bildschirm macht es mir nicht leichter, durch Täler zu kommen, denn Schreiben ist für meine Seele die beste Therapie. Aber irgendwie schaffe ich es immer wieder, mich aufzurappeln und weiterzugehen … mit Hilfe von Familie und lieben Freunden. Trauer hat eben viele Gesichter – manchmal klaut sie mir sogar meine kreativen Wortspiele …

Was dann aber heute in meinem Briefkasten lag, schlägt dem Zustandsfass noch den Boden aus!!!!!

Ich hatte null Plan, wann mein nächster Blogbeitrag erscheinen würde. Er tut es jetzt! Und er tut es, weil ich wieder einmal sauer bin, dass es okay ist, wenn Sekten in dieser Form missionieren. Ja, SEKTE! Die Zeugen Jehovas sind nämlich nichts anderes und ich verachte jegliche Form von Sektentum. Jeder soll glauben, was er will – kein Thema für mich. Sektentum und der billige Versuch, Leute für dieses Tun auf diese Weise zu akquirieren, ist für mich unter jeder Sau.

Wer auch immer bei den Jehovas das Sagen hat: LASST MICH MIT DEM MÜLL IN RUHE! Ja, dieser Satz ist geschrien. Laut und deutlich.

Es ist nicht so, dass ich nur einer Sekte nichts abgewinnen kann – ich verachte sie! Ich kann auch Menschen nicht ernst nehmen, die Sektenmitglieder sind. Sorry, geht nicht. Solche Menschen sind für mich sowas ähnliches wie orientierungslose Schafe, die alle dem Leitbock hinterherrennen ohne zu wissen, ob die Richtung stimmt. Sie tun es einfach!

Die typischen Merkmale von Sekten sind:

. Autoritäre Führung
. Strikte Verhaltensregeln
. Isolation von Aussenwelt
. finanzielle Verpflichtungen
. Heilversprechen
. Kontrolle der Mitglieder
. Ablehnung anderer Weltanschauungen.

Gruselig! Das schlimmste dabei ist, dass solche Sekten nicht selten Menschen in sehr fragilen Lebenssituationen erwischen und sie dann so in ihren Bann ziehen. Man könnte bei mir jetzt auch davon ausgehen: „Sie hat gerade den Ehemann verloren, in Trauer, schmerzerfüllt – könnte ein dankbares Opfer sein.“

Nicht einmal vielleicht!

Wow, bin ich grad stinkesauer über diese Post in meinem Briefkasten. Und wie gut für die Absender, dass ich nicht zu Hause war – das hätte ein unschönes Aufeinandertreffen gegeben …

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