Sonntag = Lesen der Sonntags Zeitung! Das gehört zum Ritual, ich bin ja schliesslich ein Gewohnheitstier. Was da aber heute in der Zeitung steht, macht aus mir grad ein stinksaures Tier!!

Feilschen Sie! Mit diesen Tipps haben Sie immer Ausverkauf.

Diese fette Überschrift springt mir aus der Zeitung entgegen. Mein erster Gedanke: „Echt jetzt?“ Also lese ich weiter und die Tipps sind an Dreistigkeit und Dummheit nicht zu überbieten. Die fett gedruckten Sätze sind jeweils die Überschriften in der Zeitung, welche dann zu den detaillierten Erklärungen überleiten…! ICH habe mir erlaubt, meine eigene Erklärung unter die Überschriften zu schreiben.

Überwinden Sie Ihre Scham.
Nein, tun Sie das bloss nicht. Wenn sie das nämlich tun, dann sie sind keinen Deut besser als jene, die auf einem ausländischen Bazar den Verkäufer in die Knie zwingen!

Denken Sie an das Glücksgefühl.
Hä? Wenn es Sie glücklich macht, wenn Sie einen Preis runterdrücken können, dann sollten Sie vielleicht über eine Therapie nachdenken.

Diese Basics müssen Sie kennen.
Besser, Sie kennen die Anstandsregeln beim Einkauf. Das ist weit mehr wert!

Fast alles ist verhandelbar.
Wenn Sie bei einer Versteigerung mitmachen, dann JA. Sonst eher NEIN!

So viel Rabatt liegt drin.
Wäre es nicht am Ladenbesitzer zu entscheiden, ob Rabatte möglich sind oder nicht?

Die entscheidende Frage.
Die Anleitung, wie man in ein Gespräch zum Feilschen einsteigt, ist mehr als peinlich.

Gut geblufft ist halb gewonnen.
Wer „Preisdumper“ als gewiefte Verhandlungstaktiker bezeichnet, hat leider den Markt nicht kapiert! Und Bluffer kann sowieso keiner leiden!

Seien Sie bezaubernd.
Ehm, das beisst sich: Feilschen und bezaubernd sein ist wie jemanden anzuspucken und gleichzeitig zu sagen „ich liebe Dich“!

Bloss keine Hektik.
Klar, lassen Sie sich Zeit, dem Ladenbesitzer so richtig auf den Senkel zu gehen.

Geben Sie sich nicht zu schnell zufrieden.
Logisch – feilschen Sie, bis dem Gegenüber die Tränen laufen … so wie der Saft bei einer Zitrone, wenn man sie endlos ausquetscht!

Zücken Sie Ihr Portemonnaie.
Tun Sie das gefälligst nur, wenn Sie auch bezahlen, was verlangt wird.

Bleiben Sie flexibel.
Klar, wenn der Preisnachlass nicht möglich ist, dann verlangen Sie halt noch eine Zusatzleistung – hä??????

Spielen Sie „good cop“, „bad cop“.
Die Anleitung zum Feilschen mit einem guten Freund zusammen, der Ihnen dabei hilft, ist unter jeder Sau.

Contenance bewahren, auch wenns in die Hose geht.
Oh, der Ladenbesitzer soll Ihnen also noch dankbar sein, wenn Sie nicht ausfallend werden, weil er keinen Rabatt gewähren will – danke auch!

Okay – ich atme jetzt erstmal tief durch und lasse mir nochmal auf der Zunge zergehen, was ich da an Dreistigkeit gerade zu Lesen bekommen habe. Ich wusste gar nicht, dass diese Coronaviren offenbar bei manchen Menschen die Restzellen im Hirn angefressen haben. Oder was gibt es sonst für eine vernünftige Erklärung, dass eine grosse Tageszeitung solchen Schrott im Ressort „Gesellschaft“ veröffentlicht?

Als ehemalige Geschäftsinhaberin kann ich eines mit Sicherheit behaupten: Die Margen sind heute in der Schweiz so berechnet, dass ein Überleben der kleinen Anbieter kaum noch sichergestellt ist. Und bei den Giganten können Sie ohnehin nicht feilschen. Wenn die Zeit für Rabatte kommt, dann wäre da eine einheitliche Regelung schon lange wünschenswert! Und wer in einem Geschäft einkauft, der weiss, dass er sich NICHT auf dem Markt befindet. Entweder kann das Objekt der Begierde bezahlen, oder ich lasse es ganz einfach dort!

Ja, es gab auch bei mir damals hin und wieder Leute, die meinten, sie könnten mit mir über den Preis diskutieren. Die habe ich nett auf den nächsten Markt aufmerksam gemacht – und bei Resistenz schon mal darauf hingewiesen, dass ich meine Rechnungen nicht mit Leuten wie Ihnen bezahlen kann.

Wie gut, dass ich aus dem Zeitungspapier noch ein Schiffchen für die Enkelin basteln kann … oder ich stopfe meine nassen Schuhe damit!!